Die Arbeitslosenquote bleibt tief. Doch die guten Zahlen täuschen: Allein im ersten Halbjahr 2018 wurden im Kanton Aargau knapp 1600 Personen ausgesteuert. Im letzten Jahr waren es über 2700. Für Langzeitarbeitslosen ist der Weg zurück ins Arbeitsleben besonders hart.
Elia ist 23 Jahre alt. Er hat diesen Sommer erst eine Lehrstelle gefunden. Nun hat er eine dreijährige Ausbildung zum Recyclisten bei der Firma Wiederkehr in Waltenschwil im Freiamt begonnen. Vorher hatte sich der ungelernte junge Mann mit Temporärjobs über Wasser gehalten.
«Es brauchte viel Schweiss und Tränen», sagt er über seinen Weg zur Lehrstelle. Die genauen Umstände seiner privaten und beruflichen Laufbahn möchte er nicht schildern. Nur so viel: «Ich musste auch meinen Charakter ändern. Ich habe mit meinem grossen Mundwerk jeden Job gefährdet, den ich hatte.»
Ein persönlicher Coach für den langen Weg
Elia ist nicht allein. Im Auftrag von zehn Aargauer Gemeinden betreut Helene Hartmann und ihr Team rund 50 bis 60 Langzeitarbeitslose. Auch Elia. Ihr Ziel: Menschen aus der Sozialhilfe zurück in den Arbeitsmarkt bringen – eine schwierige Aufgabe.
Es ist ein grosser Aufwand, denn wer seine Arbeit verliert, gerät häufig in eine Abwärtsspirale. «Viele trauen sich nicht mehr zu, sich überhaupt zu bewerben. Sie fragen sich, ob sie die Leistung überhaupt noch bringen, ob sie noch in einem Team arbeiten können.» Helene Hartmann sucht die Stärken ihrer Klienten, sucht geeignete Berufsfelder.
Wir begleiten Lehrlinge bis zum Abschluss, andere Klienten bis zur Festanstellung.
«Wir sind kein Temporärbüro und keine Stellenvermittlung. Wir begleiten die Klientinnen und Klienten sehr eng, treffen uns einmal pro Woche», erklärt Hartmann. Sie organisiert Schnupperlehren, Praktika. Sucht dann Ausbildungsplätze oder Arbeitsstellen. «Wir begleiten Lehrlinge bis zum Lehrabschluss, andere Klienten bis zur Festanstellung.»
Viel Aufwand, der sich trotzdem lohnt
Dieses Coaching kostet Geld. Trotzdem lohne sich der Aufwand für die Gemeinden, betont Helene Hartmann. «Wenn wir einen Familienvater und zwei Einzelpersonen zurück in den Arbeitsmarkt bringen und diese wieder Steuern bezahlen, dann ist unser Honorar bereits ausgeglichen.»
Die Erfolgsquote betrage 40 Prozent – 40 Prozent aller Klientinnen und Klienten finden also den Weg aus der Sozialhilfe.
Möglich ist das nur, wenn Firmen das Risiko auf sich nehmen, einen Menschen anzustellen, der schon länger nicht mehr gearbeitet hat. «Vor allem im KV-Bereich haben wir Mühe», gibt Hartmann zu. «Und bei Grossfirmen.» Kleine und mittlere Unternehmen nähmen ihre soziale Verantwortung eher wahr, so die Beobachtung der Fachfrau für Arbeitsintegration.
Wer will, dem kann man helfen
Im Fall von Elia ist es die Freiämter Recycling-Firma Wiederkehr. Lehrmeister Simon Dietsche sagt: «Wir schauen nicht nur auf die aktuelle Lebenssituation der Leute. Für mich gilt es zu unterscheiden: Zwischen denen, die können, aber nicht wollen. Und denen die wollen, aber nicht können. Elia wollte, deshalb haben wir ihm die Lehrstelle gegeben.»
Tatsächlich sei die Bereitschaft der Klienten wichtig, sagt Helene Hartmann. Wenn jemand alles besser wisse und sich nicht helfen lassen wolle, dann lehne sie ein Mandat auch mal ab. Allerdings: Vom häufig gehörten Spruch «wer arbeiten will, der kann auch» hält Hartmann nichts. Es brauche in vielen Fällen die Hilfe von aussen. «Wer arbeiten will, dem kann man helfen», so lautet also die abgewandelte Form.
In drei Jahren ist klar, ob Elia den Sprung in die Arbeitswelt definitiv schaffen wird. Im Moment sieht es gut aus, auch die Schulnoten stimmen. Helene Hartmann betreut den Lehrling und seinen Lehrmeister auch weiterhin. In der Hoffnung, dass auch Elia zu den 40 Prozent gehören wird, die den langen Weg zurück meistern.