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Wahlkampf Braucht es in der Schweiz einen Stimmzwang?

Heute in einem halben Jahr wählt die Schweiz ein neues Parlament. Erfahrungsgemäss beteiligt sich nicht einmal jeder zweite Wahlberechtigte.

Legende:
Wahlbeteiligungen 2015 (in Prozent) Die kantonalen Wahlen in Zürich, Luzern und Basel-Landschaft 2015 srf

In diesem Jahr waren die Stimmberechtigten in den Kantonen Baselland, Luzern und Zürich aufgerufen, ihre Volksvertreter ins Parlament und in die Regierung zu wählen. Ernüchternde Tatsache: Nur gerade jeder dritte Bürger hat von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht.

Im Kanton Schaffhausen beteiligen sich die Bürgerinnen und Bürger regelmässig intensiver am politischen Prozess – denn dort gilt die Stimmpflicht. Wer nicht stimmt, der zahlt. Konkret sechs Franken, wenn für die versäumte Beteiligung bei den Behörden nicht nachträglich eine Entschuldigung eingeht. So legen die Schaffhauser im Durchschnitt bei Wahlen einen Wähleranteil von über 60 Prozent hin.

«Wir können uns nichts anderes vorstellen», sagt der Schaffhauser Kantonsweibel Markus Brütsch im Gespräch mit SRF News. Für die Mehrheit der Schaffhauserinnen und Schaffhauser sei es selbstverständlich, abzustimmen und zu wählen.

Die Schaffhauser Bevölkerung würde auf die Barrikaden gehen, wenn jemand den Stimmzwang abschaffen möchte.
Autor: Thomas HauserKantonsrat FDP/SH

Der Schaffhauser FDP-Kantonsrat Thomas Hauser mag den Stimmzwang in seinem Kanton nicht unbedingt. Er findet, die demokratischen Rechte sollten freiwillig ausgeübt werden. Aber: «Die Leute im Kanton sind sehr gut über das politische Geschehen informiert. In den Leserbriefspalten wird vor wichtigen Abstimmungen intensiv diskutiert.»

Tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass sich Schaffhauserinnen und Schaffhauser stärker über politische Belange informieren als die Bevölkerung in anderen Kantonen.

Schaffhausen als Vorbild für die ganze Schweiz?

Nun stehen in sechs Monaten die nationalen Wahlen an. Die Bürgerbeteiligung dürfte sich wohl auch im Herbst nicht von den Wahlbeteiligungen der letzten 40 Jahre abheben – und bei etwa 45 Prozent einpendeln. Könnte deshalb ein Wahlzwang auf nationaler Ebene Sinn machen?

Bei der Wahlbeteiligung geht es nicht nur um Quantität. Es geht auch um die Qualität des politischen Interesses.
Autor: Daniel KüblerDemokratieforscher an der Universität Zürich

Daniel Kübler, Demokratieforscher an der Universität Zürich, ist skeptisch: «Der Kanton Schaffhausen ist auf der Ebene der Zusammensetzung der Regierung, des Parlaments oder Qualität der Politikerinnen und Politikern ein Kanton wie viele andere auch. Ich würde die hohe Stimmbeteiligung nicht überbewerten.»

Kübler weist vielmehr auf die Risiken eines Stimmzwangs hin: «Es könnte passieren, dass ein Teil der Stimmbürger ohne genügende Sachkenntnis über etwas abstimmt oder wählt. Zudem könnten jene, die immer wählen, mit dem Zwang vergrault werden.»

Doch steht die tiefe Wahlbeteiligung in der Schweiz nicht im Widerspruch zum derzeitigen Diskurs über das Hochhalten der direkten Demokratie? «Nein», findet Kübler. Die direkte Demokratie sei ja gerade ein wichtiger Grund für die tiefe Wahlbeteiligung.

Nur eine Minderheit entscheidet über politische Belange

«Die direkte Demokratie gibt den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, Gesetzesvorlagen zu korrigieren. Die Stimmberechtigten haben in Volksabstimmungen und Referenden immer wieder die Möglichkeit, den gewählten Politikern auf die Finger zu schauen. Deshalb ist es für viele Stimmberechtigte auch nicht mehr so wichtig, wer im Parlament sitzt», so Kübler.

Auf die Frage, ob es wirklich so unproblematisch sei, wenn immer weniger Menschen wählen, sagt Kübler: «Wenn sich viele Menschen vom politischen System entfremden, Politik nicht interessant finden – macht nur eine Minderheit Politik.» Das sei tatsächlich ein Problem, das angegangen werden müsse. Er sei aber skeptisch, ob dieses Grundproblem mit einem Zwang gelöst werden könne.

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