Zum Inhalt springen

Wahlkampf CVP: Mächtig in Bern – schmächtig beim Wähler

Seit über 30 Jahren laufen der Christlichdemokratischen Volkspartei CVP die Wähler weg. Gleichzeitig gibt es in Bern kaum eine Vorlage, die ohne den CVP-Segen eine Chance hätte. Dieses Machtpotential verdankt sich der Konkordanz. Und ist für die Partei nicht nur ein Segen.

Wollen Bürgerliche in Bern ihre Vorlage mit einer legislativen Zustimmung krönen, tun sie seit jeher gut daran, die CVP im Boot zu haben. Und auch für linke Mehrheiten ist die Familienpartei in den letzten Jahren ein Partner geworden.

Mächtig trotz Aderlass in der Wählerschaft

Bei rund 90 Prozent der Abstimmungen steht die CVP auf der erfolgreichen Seite. Ohne die Stimme der Mitte-Partei geht in der konkordanten Schweiz fast gar nichts – die CVP als Mehrheits-Beschaffer. Eine Einschätzung, der Partei-Präsident Christophe Darbellay wenig abgewinnen kann.

Michael Perricone von «10vor10» hat die Partei Ende Juli auf ihrem Fraktions-Ausflug begleitet.

Die CVP bringe einfach die meisten ihrer Anliegen durch, sagt Darbellay im Interview. Die Partei sei «Nummer eins» im Ständerat und matchentscheidend im Nationalrat. Differenzierter stellt das Polit-Geograph Michael Hermann dar.

Unberechenbare Mitte?

Das Potential als Match-Entscheider sei nicht immer gleich ausgeprägt, erklärt Hermann. «Aber in dieser Legislatur hat die CVP wieder die meisten Abstimmungen gewonnen.» Dabei ausschlaggebend ist weniger die Zahl der Wählerstimmen, als vielmehr die Mitte-Platzierung in einem Parlament, in dem die Linke und die Rechte in etwa gleich stark sind.

«Dann sind beide Seiten für ihre Mehrheiten auf die Mitte angewiesen.» Also ist mal die linke Mitte der CVP das sprichwörtliche Zünglein an der Waage, mal die rechte Mitte. Für Bürgerliche und Linke ist dieses Potential oftmals eine bittere Pille.

CVP-Nationalrätin Kathy Riklin aus Zürich, sorgt dafür, dass die CVP Mehrheitsbeschafferin ist für die SP. Riklin politisiert denn auch am linken Rand der CVP. Dem Vorwurf, die Politik ihrer Partei – mal ein bisschen links, mal ein bisschen rechts – sei unberechenbar, begegnet die Parlamentarierin mit einem demographischen Gleichnis.

«Auch die Bevölkerung hat eine sehr unterschiedliche Meinung, sagt Riklin im Interview mit «10vor10». Wer also in der Mitte der Meinungsvielfalt punkten wolle, müsse seine Politik eben etwas breiter fahren. Die rechte Seite dieser «breiten» Meinungsspur befährt der Zuger Nationalrat Gerhard Pfister. Er ist der Mehrheitsbeschaffer der bürgerlichen Seite.

Damit ist es gerade nicht die geschlossene Fraktion, die zwischen rechts und links pendelt. Vielmehr sind es einzelne CVP-Politiker, die sich uneins sind und jeweils nach links oder rechts ausscheren. Das zeigen auch die Zahlen.

Im Nationalrat sitzen 200 Politiker. Misst man ihr Abstimmungsverhalten, stellt man fest: Von den zehn Parlamentariern, die am meisten von der Linie der eigenen Partei abweichen, gehören acht zur CVP. Darunter Kathy Riklin und der Zuger Gerhard Pfister.

Positionierung wird schwierig

Eindrücklich auch das Ergebnis der Differenzen unter den CVP-Akteuren selbst. Die Spidergrafik zeigt: Zwischen der Zürcher Nationalrätin Kathy Riklin und ihrem Zuger Pendant könnte der Meinungsgraben kaum grösser sein. Und gerade hier liegt die Krux für die Match-Entscheider-Partei.

Denn für den Politologen Hermann kann das Mitte-Potential der Partei mit Wählerschwund vordergründig zwar den Glorienschein der Entscheidungsmacher eintragen. Innerhalb der Partei lähmt das aber die Innovationskraft. «Überall, wo die Partei versucht hat, sich ein klareres Profil zu geben, beispielsweise in der Familienpolitik, ist das misslungen», sagt Politologe Hermann.

Denn Familienpolitik ist zwar ein Thema, aber eben noch keine Position. Und wer so viel Meinungen in einer Mitte vereinen muss, hat es schwer, eine Position der Einigkeit zu finden.

Meistgelesene Artikel