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«Was macht eigentlich?» «Fremde fragten mich über Hormone und Operationen aus»

Alecs Recher sorgte vor zehn Jahren schweizweit für Aufsehen. Er lebte zuvor als Frau und Zürcher Gemeindrätin und outete sich dann als Transmann.

Alecs Recher hiess nicht immer Alecs mit Vornamen. Bis 2008 sass er als Gemeinderäntin für die AL im Zürcher Stadtparlament. Das öffentliche Bekenntnis, dass er keine Frau sei, sondern ein Transmann, sorgte damals in der ganzen Schweiz für Schlagzeilen.

2014, vor den Wahlen, trat Alecs Recher aus dem Gemeinderat zurück. Heute berät er als Jurist im Transgender Network Switzerland andere Transmenschen bei ihren juristischen Problemen. Das «Regionaljournal Zürich Schaffhausen» hat Alecs Recher in der Nähe des Zürcher Rathauses, seiner alten Wirkungsstätte, getroffen.

SRF: Sie kamen als Gemeinderätin und gingen nach zehn Jahren als Gemeinderat, das ist aussergewöhnlich. Was ist in den zehn Jahren dazwischen passiert?

Alecs Recher: Aussergewöhnlich ist, dass das vor mir noch niemand gemacht hatte. 2008 outete ich mich als Transmann. Ich machte öffentlich, dass ich keine Frau bin und mich noch nie als Frau identifizert habe. Von da an lebte ich in der männlichen Rolle. Politisch hat sich nicht viel geändert.

Sie wurden dadurch zum Medienstar. Von Aeschbacher bis zur WOZ berichteten alle über Sie. Wie war das für Sie?

Es war eine spezielle Situation, aber mir war im Voraus bewusst, dass es eine medienwirksame Geschichte werden würde. Ich habe es nicht gesucht, ich stehe nicht wahnsinnig gerne im Rampenlicht. Aber als ParlamentarierIn mit einem Trans-Coming-Out war es unumgänglich.

In einem Vorstoss eines Ihrer Parteikollegen, der eine Verbesserung der Situation von Transmenschen fordert, wird das Dasein als Transmensch sehr negativ geschildert. Man erhält den Eindruck, das Leben eines Transmenschen sei die Hölle.

Man kann es so nicht verallgemeinern. Aber es ist immer noch eine Realität in der Schweiz, dass das Leben von Transmenschen unglaublich schwierig ist. Transmenschen werden nur aufgrund ihres Transseins zusammengeschlagen, sexuell missbraucht, verlieren die Stelle oder werden beschimpft. Es ist zum Teil ein Spiessrutenlaufen. Und es gibt die ganz tragischen Geschichten. Immer häufiger läuft es aber auch gut und die Menschen können sich outen und glücklich als sich selbst leben.

Wie waren Ihre Erfahrungen?

Ich gehöre zu den extrem Privilegierten. Ich habe nie einen Job deswegen verloren, im Gegenteil. Ich erlebte relativ wenig Anfeindungen, aber viel Distanzlosigkeit. Da gab es Menschen, die mich kaum zwei Minuten kannten, und über Operationen und Hormone Bescheid wissen wollten.

Sie arbeiten heute beim Transgender Network Schweiz als juristischer Berater. Mit welchen Problemen werden Sie konfrontiert?

Einerseits sind es Schwierigkeiten bei der Kostenübernahme. Wenn sich Krankenkassen weigern, die Kosten für Angleichungen zu übernehmen, obwohl sie dies müssten. Es ist ein Riesenproblem, welches der Bund nicht anerkennt. Andererseits gibt es grosse Schwierigkeiten für asylsuchende Transpersonen. Sie möchten hier eine Zukunft in Sicherheit, finden aber das Gegenteil.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was müsste per sofort besser werden?

Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die im positiven Sinn akzeptiert, dass wir alle verschieden sind und verschiedene Bedürfnisse haben. Das heisst, dass Transmenschen genauso als Normvariante in der Gesellschaft angesehen werden.

Das Gespräch führte Hans-Peter Künzi.

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