Das Wort «tief» ist ein relativer Begriff. Als im Mai 2010 der Euro auf 1.40 Franken fiel, da war die Sorge unter den Ökonomen gross, die Schweizer Exportwirtschaft würde in eine Rezession geraten. Knapp zwei Jahre davor, im Oktober 2008, war ebenfalls die Rede vom «tiefen Euro». Die europäische Währung geriet unter 1.50 Franken. Der Chefökonom der Bank Julius Bär, Janwillem Acket, sprach damals von einer «fairen Bewertung» und meinte den Kurs von 1.50 Franken.
Gleiches gilt übrigens auch für den Dollar. Als die US-amerikanische Währung im Jahr 2002 auf 1.42 Franken fiel, wurde das Schreckensgespenst «tiefer Dollar» an die Wand gemalt.
Der Schweizer Wirtschaft ging es aber immer gut, mit wenigen Abstrichen. Betrachtet man den Schweizer Aussenhandel der letzten 15 Jahre, so fällt auf, dass die Schweiz nur im Jahr 2000 einen negativen Saldo aufwies.
Drei Gründe, warum die Schweiz auch 2015 einen positiven Saldo aufweisen wird:
Swiss Made – auch in Krisenzeiten gefragt
Als die Schweizerische Nationalbank den Euro-Mindestkurs von 1.20 Franken auflöste, gehörte Nick Hayek zu den lautesten Kritikern. Sein Vergleich mit einem Tsunami drang bis ins Ausland. Uhrenpatron Hayek sieht schwarz für die Exportindustrie, den hiesigen Tourismus und generell für die ganze Schweiz.
Doch gerade die preissensiblen Schweizer Uhren behaupten sich auch in widrigen Situationen. Als der Euro im Jahr 2010 unter 1.40 Franken fiel, hatten die Schweizer Uhrenfirmen trotzdem allen Grund zum Jubeln. Verglichen mit dem Vorjahr stieg der Wert der Uhrenexporte um über 22 Prozent. Ähnliches galt für die Exporte von Bijouterie und Juwelierwaren. Auch diese verzeichneten im Krisenjahr 2010 einen Anstieg von 16,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
In einer Studie zur Schweizer Exportindustrie verwies die Credit Suisse 2011 auf die «Preisprämie» gegenüber anderen Konkurrenten. Die Schweiz sei so lange wettbewerbsfähig, so die Autoren, wie sie ihre «Qualitäts- und Technologieführerschaft» aufrechterhält.
Freihandelsabkommen - Zusammenstehen in der Krise
Jede Krise gebärt Gewinner und Verlierer. Mittel- und langfristig gesehen, wird die Eurokrise zu vertieften Verhandlungsgesprächen zwischen den Märkten führen. Im Fokus steht das Freihandelsabkommen. Es gibt immer noch viele Vorbehalte gegen das Abkommen zwischen der EU und den USA, etwa wegen des Investitionsschutzes und der «Chlorhühner».
«Die in Europa lahmende und in den USA boomende Wirtschaft wird solche Widerstände abschwächen», meint Wirtschaftsprofessor Dieter Freiburghaus und fügt hinzu: «Sollte dieses Abkommen in Kraft treten, wird der Druck in der Schweiz wachsen, ein Parallelabkommen mit den USA abzuschliessen.»
Die Wirkung eines solchen transatlantischen Abkommens könnte der Schweiz ein jährliches Wachstum zwischen 0,5 und 2,9 Prozent bescheren. Zu dieser Schätzung gelangt eine Studie des World-Trade-Instituts der Universität Bern vom letzten Jahr.
Des Bundesrats' ruhige Hand
Wo sich der Euro während des Jahres einpendeln wird, ist eine Frage an die Kristallkugel. Peter Hegglin, Finanzdirektoren-Präsident, zeigte sich in einem SRF-Gespräch aber hinsichtlich der Turbulenzen gelassen. Die Märkte hätten in gewisser Weise «überreagiert». Er rechne damit, dass sich der Eurokurs in der nächsten Zeit wieder nach oben einpendeln wird.
Auch Finanzministerin Widmer-Schlumpf zeigt sich zuversichtlich, dass sich der Euro auf 1.10 Franken bewegen wird. Mit diesem Szenarium, so die Bundesrätin, könne die Schweizer Wirtschaft leben.
Die Gelassenheit des Bundesrats hebt sich auch wohltuend von der Panikmache einiger Akteure ab. So verzichtet Widmer-Schlumpf auf flankierende Massnahmen, wie dies zum Beispiel 2011 geschah. Damals förderte der Bundesrat mit 100 Millionen Franken 245 Projekte. Exportorientierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) profitierten am meisten von den Massnahmen.
Aber, und darauf verwies die Finanzministerin ebenfalls, man beobachte die Entwicklung: «Sollten wir in einem halben Jahr sehen, dass es Massnahmen braucht, wird man dann darüber diskutieren müssen.»