Die Genfer Firma Addax Bioenergy hat in Sierra Leone ein Gebiet von der Fläche des Kantons Zug gepachtet und baut auf 10'000 Hektaren davon Zuckerrohr an – laut Addax «ein nachhaltiges Projekt, das Vorbild für Investments in Afrika sein soll».
Dabei hat die Firma ihre Produktionsziele deutlich verpasst: Sie wollte jährlich 85'000 Kubikmeter Bioethanol für den Export in die EU herstellen, als Benzinzusatz. Tatsächlich hat sie offenbar weniger als 10'000 Kubikmeter produziert – und ihre modernen Anlagen bereits nach einem halben Jahr wieder stillgelegt, im Juli 2015. Addax Bioenergy schreibt «ECO», man befinde sich in einem Review-Prozess und äussere sich bis Ende März 2016 nicht gegenüber Medien.
Addax Bioenergy ist auf der Suche nach neuen Investoren und verhandelt zur Zeit mit dem britisch-chinesischen Unternehmen Sunbird Bioenergy, wie Monty Jones, der neue Landwirtschaftsminister von Sierra Leone gegenüber «ECO» bestätigt. Addax Bioenergy und Sunbird würden erwägen, künftig auch Maniok für die Treibstoffproduktion anzubauen, um die Erträge zu erhöhen, so Minister Monty Jones. Addax Bioenergy will sich zu den Verhandlungen nicht äussern.
Addax sollte Elektrizität generieren, verbraucht sie aber nun
Die Regierung des Landes ist in die Gespräche über die Zukunft des Projekts involviert. Addax Bioenergy hatte dem Staat zugesichert, aus der Biomasse, die bei der Verarbeitung des Zuckerrohrs entsteht, Elektrizität zu generieren und so 20 Prozent des nationalen Strombedarfs zu decken. Tatsächlich verbraucht Addax Bioenergy zurzeit aber Strom aus dem nationalen Netz. Für die anhaltende Bewässerung eines Teils ihrer Plantagen bezieht die Firma gegenwärtig Elektrizität von der Stromleitung, welche auch die chronisch unterversorgte Hauptstadt Freetown beliefert.
Addax Bioenergy ist eine Tochterfirma der Addax Oryx Group des Schweizer Ölmilliardärs und Kunstliebhabers Jean-Claude Gandur. 2011 hatte das Investitionsvolumen für das Projekt in Sierra Leone 270 Millionen Euro betragen. Mehr als die Hälfte davon finanzierten staatliche Entwicklungsbanken, zum Beispiel aus Deutschland, Schweden oder Holland. Addax Bioenergy beziffert das gesamte Investitionsvolumen gegenwärtig mit 455 Millionen.
Schweiz erkennt Zertifikat nicht an
Die EU-Staaten förderten das Projekt ursprünglich unter dem Namen des Klimaschutzes. Addax Bioenergy verfügt darüber hinaus über ein Zertifikat des Roundtable on Sustainable Biomaterials (RSB), das die Produktion als nachhaltig, umweltfreundlich und sozial auszeichnet – und zum Bezug von EU-Förderung ermächtigt.
In der Schweiz wird dieses RSB-Zertifikat allerdings nicht anerkannt, weil es die Gesamtökobilanz von Agrartreibstoffen zu wenig berücksichtigt. «Treibstoffe, die aus Lebensmitteln gewonnen werden, haben eine schlechtere Ökobilanz als Benzin,» begründet Christoph Rotzetter vom Bundesamt für Umwelt gegenüber «ECO».
Der Roundtable RSB ist in Genf beheimatet. Das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco und die Direktion für Entwicklungshilfe Deza waren bislang die wichtigsten Geldgeber der Organisation: Über 3,5 Millionen Franken Bundesgelder hat der RSB erhalten.
Steuergelder auf beiden Seiten
Steuergelder fliessen auch zu den Kritikern des Projekts, wenn auch etwas weniger. «Brot für alle», die Entwicklungsorganisation der evangelischen Kirchen der Schweiz, unterstützt in Sierra Leone die NGO «Sierra Leone Network on the Right to Food» (Silnorf), die sich seit Jahren gegen das Addax-Bioenergy-Projekt wehrt.
Silnorf findet es unsinnig, in einem Land, das auf internationale Nahrungsmittelhilfe angewiesen ist, Agrarland für die Treibstoffproduktion zu benutzen. Rund 15'000 Franken zahlt «Brot für alle» jährlich an Silnorf. Die Hälfte dieses Geldes kommt von der Deza.
Die Pressestelle des Deza teilt dazu «ECO» mit: «Die beiden Finanzierungen stehen nicht im Widerspruch. Im Gegenteil, sie sind komplementär und sollen helfen, dass bei Investitionen in Entwicklungsländern – in diesem Fall in Sierra Leone – trotz fehlender Regulation und Rechtssicherheit minimale Menschenrechte eingehalten werden.»