Wieder einmal springt Apple auf einen Trend auf und will die Machtverhältnisse zu seinen Gunsten neu ordnen. Am Dienstag lanciert das Unternehmen einen Musik-Streaming-Dienst und setzt damit auf eine Form des Konsums, die immer gefragter wird: Streaming – das Abspielen von Musik im Internet, ohne Download, ohne Kauf.
Die Streaming-Zahlen weltweit sind laut des Branchenverbands Ifpi allein von 2013 auf 2014 um mehr als 50 Prozent angestiegen: von 767 Millionen auf 1,2 Milliarden Nutzer. Nur eine verschwindend geringe Zahl dieser Nutzer zahlt für das Streaming: 41 Millionen. Der überwiegende Rest nutzt Gratis-Dienste oder nimmt Werbung in Kauf.
Unbegrenzte Datennutzung macht’s möglich
Musik-Streaming ist eine logische Weiterentwicklung, seitdem Internet-Nutzer nicht mehr vornehmlich zuhause, sondern unterwegs über ihre Smartphones konsumieren – und überdies häufig Pauschal-Verträge abgeschlossen haben, die einen unbegrenzten Datenverkehr erlauben. Musik nur zu leihen anstatt sie zu besitzen entspricht dem Zeitgeist einer Generation, die flexibel sein will und Besitz für wenig erstrebenswert hält.
Während Nutzer sich ihre Musik zunehmend «on demand» holen, erleben Tonträger einen drastischen Niedergang (siehe Grafik). Innerhalb von sieben Jahren sind die Konsumenten-Ausgaben in der Schweiz um zwei Drittel zurückgegangen. Das Beratungsunternehmen Pricewaterhouse Coopers rechnet damit, dass sie sich bis 2019 weiter halbieren werden.
Da der Musikmarkt im Ganzen stabil geblieben ist (um 900 Mio. Fr. Ausgaben), haben die digitalen Angebote – dazu gehören neben dem Streaming auch Downloads – die Abflüsse direkt aufgenommen. Sie verzeichnen im selben Zeitraum eine Vervierfachung und haben die physischen Produkte bereits 2012 überholt. Weltweit wird dies laut PwC wohl in diesem Jahr der Fall sein. Man gehe ausserdem davon aus, dass Ende 2018 nur noch ein Sechstel der Schweizer Nutzer ihre Musik auf einem Datenträger erwerben werden.
«0,1 Rappen pro Stream»
Klagen über das Streaming sind vor allem von Künstlern zu hören. Für die Schweizer Mundart-Band Patent Ochsner ist Streaming «ganz eindeutig ein Fluch», wie Frontmann Büne Huber im Interview mit «ECO» sagt. Er beobachtet schon lange, dass seine Fans immer weniger Geld für Tonträger ausgeben. «Für uns bedeutet das massive Einbussen. Wir produzieren ein Album für viel Geld, weil wir möglichst unabhängig sein wollen.»
Die Einnahmen durch Streaming sind für Büne Huber so marginal, dass sich der Wegfall nicht kompensieren lässt. «Spotify zahlt dem Künstler pro Stream 0,1 Rappen», erklärt er. Auch mit Millionen von Streams kämen nur ein paar Tausend Franken zusammen.
US-Sängerin Taylor Swift wehrt sich
Vor wenigen Tagen hat sich die US-Sängerin Taylor Swift öffentlich gegen den kommenden Apple-Streaming-Dienst gestellt. Apple wollte in den ersten drei Monaten kein Geld von den Kunden verlangen für «Apple Music» und entsprechend auch keines an die Künstler weitergeben.
Dass die Stimme der 25-jährigen Sängerin durchaus Gewicht haben muss, zeigte die Reaktion von Seiten des kalifornischen Unternehmens: Man werde die Sänger von Anfang an entgelten.
Gleichwohl bietet Apple die Gratisnutzung in der Anfangsphase an. Mit Bar-Reserven von fast 200 Milliarden US-Dollar – und damit mehr als jedes andere Unternehmen – ist es ein Leichtes, den Musik-Künstlern entgegenzukommen.