Die «Washington Post» wechselt nach acht Jahrzehnten unter der Besitzerfamilie Graham die Hand. Käufer ist Jeff Bezos, Gründer und Chef des Onlinehändlers Amazon. Er zahlt 250 Millionen Dollar für das Blatt, das in den 70-er Jahren unter anderem mit der Aufdeckung der «Watergate-Affäre » für Furore sorgte. Zuletzt trug sie zur Berichterstattung über die Abhöraffäre der NSA bei.
Flaute im Zeitungsmarkt
«Post»-Chef Donald Graham begründete den Verkauf mit der schwierigen Lage im Zeitungsmarkt. Auch das ruhmreiche Blatt kämpft heute mit schrumpfender Auflage und rückläufigen Anzeigen.
Graham würdigte in seinem Statement zugleich den Käufer und betont, dass der Amazon-Gründer die Zeitung als Einzelperson und nicht im Namen des weltgrössten Online-Händlers erwerbe. Dessen einzigartiges Verständnis für Technologie, sein Geschäftssinn, sein langfristiger Ansatz und seine persönliche Integrität machten ihn zu einem besonders geeigneten Kandidaten.
Bezos: Herausgeberin und Chefredaktor bleiben
Bezos zeigte sich zuversichtlich für die Zukunft und versprach, die Werte der «Post» änderten sich nicht. Die bisherigen Verantwortlichen sollen in ihren Ämtern bleiben, darunter Herausgeberin Katharine Weymouth und Chefredaktor Martin Baron. Zusammen mit der «Washington Post» gehen auch mehrere kleinere Blätter an Bezos.
Was ist mit der Unabhängigkeit im Dunstkreis von Amazon?
Mit der «Washington Post» kaufe sich Bezos vor allem einen grossen Namen, stellt Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent SRF fest. Von diesem Glanz sei heute allerdings nicht mehr viel übrig. Die Zeitung sei sehr schmalbrüstig geworden, biete kaum noch eine ernstzunehmende Auslandberichterstattung und strahle nur noch wenig über die Hauptstadtregion hinaus.
Bezos gehe es also sicher nicht um schnellen Gewinn. Es sei denn, er fände ein neues Geschäftsmodell, etwa über eine neue Vermarktung des Titels im Internet, meint Gsteiger. Vermutlich sei es ein Steckenpferd von Bezos und er sehe sich als eine Art Mäzen.
Auch Bezos werde nun wahrscheinlich ein Bekenntnis zur journalistischen Freiheit und Unabhängigkeit abgeben. Wie viel das wert sei, wird sich bei einer allfälligen kritischen Berichterstattung der «Post» über Amazon zeigen – etwa über die prekären Arbeitsverhältnisse bei Amazon Deutschland, schätzt Gsteiger.
Neues Leben für die Post?
Bezos kenne sich mit dem Internet aus wie kaum ein anderer, erklärt Jens Korte, SRF-Korrespondent an der Wall-Street. Dies mache diese Übernahme so interessant. Wie viele andere Tageszeitungen hat auch die «Washington Post» grosse Schwierigkeiten. Sie schrieb 2012 im Zeitungsgeschäft einen operativen Verlust von rund 50 Millionen Dollar.
Zugleich habe die Gründung der Online-Zeitung «Politico» die «Post» hart getroffen, ergänzt Korte. Viele Journalisten hätten zu «Politico» gewechselt: «Die Frage ist nun, ob Internet-Mann Bezos der Zeitung neues Leben einhauchen kann.»
Auf Rang 15 der Superreichen
Bezos kann sich den Kauf leisten: Er besitzt nach Schätzungen des Finanzdienstleisters Bloomberg aktuell ein Vermögen von 28,2 Milliarden Dollar. Dieses steckt vor allem in Amazon. Damit landet Bezos in der Rangliste der Superreichen auf Rang 15.
Die börsennotierte «Washington Post Company» stellt sich schon seit Jahren neu auf. Zu ihr gehören unter anderem ein Bildungsanbieter, lokale Fernsehstationen und ein Kabelnetz-Betreiber. Das Unternehmen wird seinen Namen nach Abschluss des Zeitungsverkaufs ändern. Dieser wird per Ende Jahr erwartet wird. Ein neuer Name sei aber noch nicht gefunden.
Bezos ist im Trend
Erst am Wochenende hatte der «Boston Globe» für 70 Millionen Dollar den Besitzer gewechselt. Auch hier war es mit dem Besitzer des Baseball-Teams «Boston Red Sox», John W. Henry, ein reicher Einzelunternehmer, der zugriff. Zuvor hatte Starinvestor Warren Buffett über seine Investmentholding «Berkshire Hathaway» rund 70 lokale Blätter übernommen.
Parallel dazu hat Medienmogul Rupert Murdoch seine Zeitungen (unter anderem «Wall Street Journal», «Sun») in ein eigenständiges Unternehmen abgespalten. Einen ähnlichen Weg geht zurzeit die «Tribune Company» («Chicago Tribune», «Los Angeles Times»), die sich aufs lokale Fernsehen verlegt.