«Die Krise liegt hinter uns.» Diese frohe Botschaft wiederholt Italiens Mitte-Links-Regierung derzeit fast täglich – es ist Wahlkampf. Tatsächlich verheissen die Statistiken viel Positives. Die erschreckend hohe Jugendarbeitslosigkeit in Italien ist von 40 auf knapp 33 Prozent gesunken und die Zahl der Arbeitsplätze steigt. Doch diese Statistiken haben eine Kehrseite. Die meisten neuen Stellen sind höchst unsichere Arbeitsplätze mit tiefen Löhnen.
Eine Million zusätzliche Arbeitsplätze. Das sei ein wichtiger Teil der Bilanz von fünf Jahren Mitte-Links-Regierung, sagt Regierungschef Paolo Gentiloni. Tatsächlich: Unter der sozialdemokratischen Regierung ist die Arbeitslosigkeit gesunken. Und die Zahl der Arbeitsplätze stieg deutlich – vor allem im Norden des Landes.
Beschränkter Zugang zu Sozialversicherungen
Das ist ein Erfolg. Gentiloni streicht ihn im eben begonnenen Wahlkampf denn auch stolz heraus. Doch die Medaille hat eine Kehrseite: Die meisten der neu geschaffenen Stellen sind prekär. Das heisst: Die Verträge sind befristet, oft auf wenige Monate. Sie bieten nur geringe Sicherheiten.
Zudem hat eine wachsende Zahl von Angestellten überhaupt keinen Vertrag mehr. Sie werden von den Arbeitgebern nur tageweise, je nach Bedarf, aufgeboten und bezahlt. All diese Arbeitnehmer haben einen beschränkten Zugang zu den Sozialversicherungen: Wird jemand krank, bleibt er ohne Lohn. Es gibt keinen Mutterschaftsurlaub. Und weil die Angestellten ohne feste Verträge nur geringe Beiträge in die Rentenkasse einzahlen, werden dereinst auch ihre Renten äusserst bescheiden sein.
Vor fünf Jahren war der sozialdemokratische Partito Democratico auch mit dem Versprechen angetreten, die Zahl dieser prekären Arbeitsverhältnisse zu reduzieren. Doch in Tat und Wahrheit ist das Gegenteil passiert.
Aus befristeten Verträgen werden keine fixen
Der Partito Democratico hat zum Beispiel die Arbeit ohne Vertrag, die anfänglich vor allem für Haushaltshilfen gedacht war, auf weitere Branchen ausgedehnt. Die Hoffnung war, dass aus den befristeten Arbeitsverhältnissen dann bald einmal feste würden. Doch diese Rechnung ging nicht auf. Im Gegenteil: Viele Arbeitgeber kamen auf den Geschmack und stellen immer häufiger Junge ohne oder eben nur mit befristeten Verträgen an.
Die Folgen sind gravierend: Ohne feste Arbeit ist es schwierig, eine Familie zu gründen. In den fünf Jahren der Mitte-Links-Regierung ist die Geburtenrate in Italien auf einen historischen Tiefpunkt gesunken. Selbst im Zweiten Weltkrieg kamen in Italien mehr Kinder zur Welt.
Diese Jungen mit ihren prekären Arbeitsverhältnissen sind für den Partito Democratico bei der Wahl im März nur schwer zu gewinnen. Laut Umfragen wählen viele die Protestbewegung Beppo Grillos oder glauben den sehr windigen Versprechungen Silvio Berlusconis.