Noch nie war die Bevölkerung in der Schweiz so gebildet wie heute. Das gilt insbesondere für die jungen Erwachsenen: 90 Prozent besuchen eine weiterführende Schule und 50 Prozent haben studiert. Im Vergleich zur Generation ihrer Eltern ist diese Generation also top qualifiziert.
Aber nicht alle haben die gleichen Aufstiegschancen. Bildung wird vererbt. Ein Blick in die Zahlen zur Bildungsmobilität zeigt: Während 20 Prozent der Kinder aus bildungsfernen Familien studieren, sind es bei Kindern von studierten Eltern 73 Prozent.
Die Erwartung der Eltern
Vom Bildungssystem wird erwartet, dass der Zugang zur höheren Bildung nicht von der sozialen Herkunft abhängig ist. Die Realität sieht aber anders aus. Sandra Hupka-Brunner, Bildungsforscherin an der Universität Bern, erklärt: «Kinder kommen schon mit unterschiedlichen Voraussetzungen in die Schule, und die Schule schafft es nicht immer, das zu kompensieren.» Zudem hätten Eltern auch unterschiedliche Erwartungen an ihre Kinder.
Das wurzelt in der Migrationsgeschichte: Die Eltern wünschen sich für ihre Kinder, dass es ihnen mal besser geht als ihnen selbst.
Dabei spielt die Herkunft eine Rolle: Secondos und Secondas setzen sich häufig höhere Bildungsziele als ihre Schweizer Pendants, sagt Hupka-Brunner: «Das wurzelt in der Migrationsgeschichte: Die Eltern wünschen sich für ihre Kinder, dass es ihnen mal besser geht als ihnen selbst.» Das hat zwei Gründe: Sie haben selber mit ihrer Migration viel für ihre Zukunft riskiert und sie haben auf dem Arbeitsmarkt oft schwierige Situationen erlebt.
Viele ausländische Eltern können ihre Kinder aber weniger gut unterstützen. Sie sind weniger gut vernetzt als Schweizer Eltern, kennen das Bildungssystem nicht aus eigener Erfahrung und die erste Generation ist allgemein mehr beansprucht. Dabei zeigen sich grosse Unterschiede nach Bildungsniveau.
Offenbar haben Secondos und Secondas, deren Eltern nach der obligatorischen Schule keine weiterführende Schule besucht haben, mehr Mühe eine Berufsbildung abzuschliessen als Kinder ähnlicher Schweizer Eltern. Wenn die Eltern dagegen eine weiterführende Schule besucht haben, wählen jene ausländischen Eltern eher längere Bildungswege.
Ungleiche Chancen auch bei Secondos und Secondas
Bei bildungsfernen Familien fehlten die Ressourcen, sagt Hupka-Brunner: «Bildung kostet Zeit und Geld.» Eltern bräuchten Zeit, um die Kinder beim Lernen zu unterstützen. Geld brauchen Eltern, um lernförderndes Spielzeug, Bücher und später einen Laptop für die weiterführende Schule zu kaufen. Die Bildungsforscherin erklärt: «Wenn sich die Eltern nur eine kleine Wohnung leisten können, hat das Kind möglicherweise keinen Ort, wo es in Ruhe lernen kann.»
Ausländische Eltern mit Mittelschul- oder Uniabschluss haben dagegen mehr Ressourcen und können ihre Kinder besser unterstützen. Ihre Kinder studieren eher als ihre Schweizer Pendants. Hupka-Brunner: «Diese Eltern sind in einem System gross geworden, das die duale Bildung, wie es sie in der Schweiz gibt, nicht kennt.» Entsprechend erwarteten sie von ihren Kindern eher Unikarrieren.
Alle Secondos und Secondas in einen Topf zu werfen, ist demnach zu einfach. Kinder von Expats, die eine internationale Schule besuchen, haben eine andere Ausgangslage als Kinder tamilischer Eltern, die als Küchenhilfen in einem Restaurant arbeiten. Die gute Nachricht ist: Auch bei Kindern mit migrantischen Eltern gibt es immer wieder die, die aufsteigen.