Im Parlament war man sich bei den Debatten um die Steuervorlage 17 einig: Unternehmen dürfen nicht vergrault werden, ein Arbeitsplatz- und Wohlstandsverlust ist unbedingt zu vermeiden.
Seit 20 Jahren profitiert die Schweiz von Firmen, die ihren Sitz wegen tiefer Steuern in die Schweiz verlegt haben. Sie hat diesen Weg ganz bewusst eingeschlagen. Ein Blick zurück:
Unternehmenssteuerreform I (1998): Finanzminister Kaspar Villiger steht vor einem 9-Milliarden-Defizit und sucht neue Einnahmequellen. Die Idee: Firmen aus dem Ausland in die Schweiz locken, indem man ihnen tiefe Steuern anbietet.
Die Rechnung geht mehr als auf. Der Bund hat seine Gewinnsteuer-Einnahmen seitdem mehr als verdoppelt. Rund die Hälfte der Gewinnsteuern nimmt er von Statusgesellschaften ein.
Die Reform kommt genau in dem Jahr, in dem die Europäische Union einen Verhaltenskodex gegen schädlichen Steuerwettbewerb zwischen einzelnen Ländern herausgibt. Immer wieder kritisiert sie das Schweizer Steuerregime und fordert zu Verhandlungen auf. Sie stösst auf taube Ohren.
Unternehmenssteuerreform II: 2008 ist Hans-Rudolf Merz Finanzminister. Er bringt eine Reform auf den Weg, die Grossaktionäre entlastet. Wer mehr als 10 Prozent Aktien an einem Unternehmen besitzt, muss seine Dividenden nicht mehr voll versteuern. Gegner interpretieren das als weiteres Lockmittel für Statusgesellschaften.
2014 erkennt Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf, dass die Steuerprivilegien ähnliche Probleme machen könnten wie das Bankgeheimnis. Sie unterschreibt in Luxemburg eine Verpflichtung, diese abzuschaffen. Dazu entwirft sie eine weitere Reform.
Unternehmenssteuerreform III: Ueli Maurer übernimmt von seiner Vorgängerin das Finanzministerium. Mit der Reform sollen künftig alle Unternehmen gleich besteuert werden. Sie kommt 2017 zur Abstimmung – und fällt durch.
Bis 70 Mrd. Euro Verlust für EU-Länder
Die Geduld der Europäischen Union ist am Ende. EU-Währungskommissar Pierre Moscovici spricht von «Enttäuschung». Die EU schätzt, dass ihr durch Tiefsteuerpolitik wie jene der Schweiz 50 bis 70 Milliarden Euro pro Jahr entgehen.
Ende 2017 setzen die Finanzminister der EU 17 Länder auf eine schwarze Liste «nicht kooperativer Steuergebiete». Die Schweiz figuriert auf einer grauen Liste und muss ihre Unternehmensbesteuerung in den nächsten Monaten anpassen.
Steuervorlage 17: Mit der neuen Vorlage soll die EU beruhigt werden, ohne dass man die Statusgesellschaften vergrault. Finanzminister Ueli Maurer ist bewusst, dass der Spielraum mit der EU nun ausgereizt ist.
Voraussichtlich im März werden die EU-Finanzminister die Länder auf ihrer grauen und schwarzen Liste erneut überprüfen. Allerdings: Auch erst dann werden sie über mögliche Konsequenzen wie etwa Sanktionen beraten.