Das Wichtigste in Kürze:
- Neue Anbieter verkaufen Rechtsdienstleistungen zum Bruchteil eines Anwaltshonorars.
- Laut Studien könnten Algorithmen bald die Hälfte von Anwaltsarbeiten ersetzen.
- Firmen-Gründungen, Betreibungen, Ehescheidungen – für LegalTech-Unternehmen sind Rechtsgeschäfte von Interesse, die häufig vorkommen und sich standardisieren lassen.
- Seit 2010 haben LegalTech Start-ups 1,8 Milliarden Dollar Kapital gesammelt.
Eine der letzten Bastionen bröckelt: Der 700 Milliarden Dollar schwere Rechtsmarkt. Bisher blieben Anwaltskanzleien weitgehend von Digitalisierung und Automatisierung verschont. Doch zunehmend geraten sie in Bedrängnis; neue Anbieter verkaufen Rechtdienstleistungen zu einem Bruchteil der Preise, die Anwaltskanzleien häufig verlangen.
Anfang Monat hat das Zürcher Start-up Digitalcounsels ein Angebot lanciert, mit dem Mieter beim Vermieter eine Mietzinsreduktion verlangen können. Nach wenigen Mausklicks ist ein eingeschriebener Brief zum Vermieter unterwegs. Der Mieter braucht nicht selber zur Post zu gehen. Gegen einen Aufpreis unterschreibt sogar ein Anwalt das Schreiben, um dem Begehren mehr Gewicht zu geben. «Man kann klar aufzeigen, dass man Mehrwert für Kunden schaffen kann. Und das für sehr wenig Geld», sagt Rechtsanwalt und Digitcalcounsels-Gründer Dominic Rogger zu seiner Idee: Industrialisierung und Standardisierung im Rechtsbereich seien immer noch sehr tief verglichen mit anderen Branchen.
Dieser Trend heisst LegalTech. Laut einer Studie des Beratungsunternehmens Boston Consulting und der Bucerius Law School in Hamburg könnten bis zu 50 Prozent der Arbeiten, die in einer Kanzlei vor allem Junganwälte ausführen, von Algorithmen übernommen werden. Selbst massgeschneiderte Lösungen könnten zu einem grossen Teil durch technologie-basierte Anwendungen erfüllt werden. Laut dem Beratungsunternehmen CB Insights haben Investoren seit 2010 1,8 Milliarden Dollar in LegalTech Start-ups investiert.
Wer sich nicht anpasst, wird von Algorithmen ersetzt
Bereits gross im Geschäft ist das Berliner Unternehmen Leverton. Es bietet eine Software an, die grosse Mengen an Verträgen in 25 unterschiedlichen Sprachen nach Schlüsseldaten analysiert und auswertet. Zu den Kunden gehören die Deutsche Bank, der Vermögensverwalter Blackstone oder die globale Anwaltskanzlei BakerMckenzie.
Laut Leverton-Geschäftsführer Micha Bues würden viele Firmen Informationen aus Daten immer noch «sehr händisch» durchführen: «Das ist sehr aufwändig, sehr teuer und sehr fehleranfällig.» Deswegen würden Kunden die Leverton-Software nutzen. Grosse Datenauswertungen benötigen Unternehmen etwa vor Firmenübernahmen. Für Micha Bues ist klar: «In fünf bis zehn Jahren werden neue Geschäftsideen und Produkte den herkömmlichen Anwälten Konkurrenz machen, so dass wir bessere Rechtsberatungen sehen werden.» Wer sich auf klassischer Rechtsberatung ausruhe, der werde Probleme bekommen.