Seit Mitte 2014 ist der Ölpreis von knapp 120 Dollar auf derzeit rund 40 Dollar pro Barrel gefallen. Für viele Förderstaaten kam der Preisverfall überraschend. Anfangs glaubten viele nur an eine kurzzeitige Preisdelle.
Mittlerweile halten es Experten für möglich, dass das niedrige Preisniveau durchaus noch einige Jahre halten kann. Bis die ersten Förderländer Pleite gehen, scheint es nur eine Frage zu sein.
«Leiden tun alle», sagt Rainer Wiek vom Energie-Informationsdienst (EID) in Hamburg. «Aber natürlich trifft der aktuelle Ölpreis einige besonders hart.» Insbesondere Nigeria, Angola und Venzuela seien stark betroffen.
Pleite klopft bereits an die Tür
«Nigeria und Angola haben inzwischen massive Finanzprobleme», sagt Cornelia Meyer. Wie lange sie das noch zu handlen wissen, sei unklar, so die Schweizer Ökonomin und Energieberaterin. Auf jeden Fall müssten sich die beiden Länder schon jetzt höher verschulden als geplant.
Bereits jetzt richtig Feuer unterm Dach ist in Venezuela. Kein Land leidet so stark unter dem Einbruch der Ölpreise. «Hier ist die Zeit eigentlich schon abgelaufen», so Meyer. Denn aufgrund mangelnder Erlöse aus dem Erdölgeschäft seien bereits jetzt Lebens- und Arzneimittel knapp. Daran ist aber nicht allein der Ölpreis schuld sondern auch die Vielzahl staatlicher Subventionen und eine ineffiziente Bürokratie.
Noch geht es, aber nicht mehr lange
Auf mittlere Sicht können Länder wie Russland und Mexiko mit dem tiefen Ölpreis leben. Aber auch sie haben Probleme, die hausgemacht sind. «Denn vor allem in Russland sind viele der Firmen mit dem Staat verbandelt und müssen grosse Teile der Gewinne abgeben», so Rainer Wiek vom Energie-Informationsdienst (EID) in Hamburg.
Dazu kommen noch die Sanktionen durch die EU. «Für Russland ist das verheerend. Sie müssen die Produktion erhöhen, um die Verluste durch den niedrigen Preis auszugleichen und den Verlust von Marktanteile zu verhindern», so Cornelia Meyer. Auch hätte es Moskau verpasst, rechtzeitig in andere Industriezweige zu investieren.
Prall gefüllte Kassen in den Golfstaaten
Weniger leiden die Golfstaaten und die USA – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. So verfügen Saudi-Arabien und Co über milliardenschwere Rücklagen, grosse Fondsgesellschaften und haben geringe Förderkosten (ca. 2 Dollar pro Barrel). Aber eigentlich bräuchten die Saudis «zur Deckung des Staatshaushaltes einen Ölpreis, der um die 100 Dollar liegt», so Rainer Wiek. Davon sei man derzeit aber meilenweit entfernt, weshalb nun auch hier ein Umdenken einsetze.
Das kann Cornelia Meyer nur bestätigen. «In Saudi-Arabien wurden viele Subventionen gestrichen, der Benzinpreis erhöht, auch über die Bezahlung von Elektroenergie (bisher kostenlos) wird nachgedacht.» Das finanzielle Polster Saudi-Arabiens sollte zudem noch für sieben bis acht Jahre reichen und selbst danach könnte das Land aufgrund seiner hohen Kreditwürdigkeit noch Schulden zu günstigen Konditionen machen, so Cornelia Meyer.
USA quasi nicht betroffen
Auch die Vereinigten Staaten können die derzeitige Situation relativ gelassen angehen, sagt Rainer Wiek vom EID. Zum einen seien sämtliche Fördergesellschaften privat – zum anderen die Fracking-Industrie wesentlich effizienter als bisher angenommen.
«Glaubten Experten noch vor kurzem, dass zur Förderung eines Barrels mindestens 80 Dollar nötig wären, weiss man jetzt, dass das einige Firmen auch für 20 Dollar schaffen», so Wiek. Das habe vor allem damit zu tun, dass die Firmen die Technologien immer weiter entwickelt hätten und so sehr effizient geworden seien.
Zwar gebe es viele Pleiten, doch zur Überraschung vieler Experten bleibe die Fördermenge nahezu unverändert – auch im Januar, als der Preis unter 30 Dollar lag.
Wie lange hält Preisdelle?
«Der Markt bräuchte eine Verknappung und eine wachsende Nachfrage. Beides ist derzeit nicht in Sicht», so Wiek. Im Gegenteil, viele Abnehmerländer würden sich zunehmend von fossilen Brennstoffen unabhängig machen. «Die Folge ist ein völlig überversorgter Markt, in den die Produzenten dazu noch üppig einfahren.»
Die privaten Ölkonzerne kappen deshalb ihre Investitionen. «Von 209 geplanten Projekten wurden im letzten Jahr nur neun angegangen – der Rest vorerst auf Eis gelegt», so Cornelia Meyer. Auf lange Sicht werde es deshalb zu einer Verknappung und damit zu einem Preisanstieg kommen. «Spätestens in zwei bis drei Jahren wird das der Fall sein», gibt sich Meyer sicher.
(SRF Börse, 18. April, 19:25 Uhr)