Raoul Weil, der frühere Top-Manager der UBS, steht in Florida vor Gericht und vor einer erdrückenden Last von fast vier Millionen Seiten Beweismaterial und 60 Zeugen gegen ihn. Ihm droht maximal eine fünfjährige Gefängnisstrafe. Aber im Prozess wird auch das frühere Geschäft der UBS mit unversteuerten US-Vermögen ausgewalzt. Somit steht auch die langjährige Praxis des Schweizer Bankenplatzes im Umgang mit Schwarzgelder am Pranger.
Pikant am Prozess gegen Weil ist zudem, dass sein ehemaliger Mitarbeiter Martin Liechti als Kronzeuge der Anklage auftritt. Liechti war 2008 in Miami verhaftet worden und sagte gegen Weil aus.
Anklage wegen «Verschwörung»
Fall «USA vs. Weil 08-CR-60322-JIC-1»
In der Anklageschrift des US-Bundesbezirksgerichts in Florida wird Weil vorgeworfen, US-Kunden geholfen zu haben, Steuern zu hinterziehen. Die US-Steuerbehörde (Internal Revenue Service, IRS) spricht dabei von einer «Verschwörung» von Weil zusammen mit weiteren Mit-Verschwörern («co-conspirators»). Angeklagt ist Raoul Weil schon seit sechs Jahren. Zuletzt lebte er in New Jersey unter Hausarrest, wo er sich mit seinen Anwälten auf den Prozess vorbereitete.
Raoul Weil mit «TASTE for BUCKS»
Weil heuerte nach seinem Wirtschaftsstudium beim damaligen Schweizerischen Bankverein (SBV) an. 2002 wurde er bei der späteren UBS Chef des grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsgeschäfts.
Dort entwickelte er das Programm «TASTE for BUCKS», übersetzt etwa: Geschmack auf Geld (Kohle) oder profaner: Geldhunger.
Der Wirtschaftsjournalist Lukas Hässig erklärt in seinem Buch «paradis perdu» die Philosophie des Programms: TASTE stehe für «Trust» (Vertrauen), «Advice» (Ratschlag), «Service», «Team» und «Emotions». BUCKS für «Big shift» (Von der individuellen Beratung zu Vermögensverwaltungs-Mandaten), «Using best practice», «Client centered offering» (kundenorientierte Angebote), «Key clients» (Schlüsselkunde) und für «Strive for growth» (Wachstumsstreben).
Das Ziel ist klar: Es geht um mehr und neue vermögende Kunden und einen grösseren Marktanteil. Eine Strategie also, die Weil, die UBS und im gleichen Sinne andere Schweizer Grossbanken in die Arme der US-Justiz getrieben hat.
Raoul Weil machte Karriere, stieg in die UBS-Konzernleitung auf und wurde 2007 Leiter des globalen Vermögensverwaltungsgeschäfts und des Privat- und Firmenkundengeschäfts. Wegen dieser Funktion muss er sich nun vor Gericht verantworten.
«Wistleblower» Bradley Birkenfeld
Ein Insider warnte bereits 2006 vor diesen Geschäftspraktiken zur Steuerumgehung: Bradley Birkenfeld. Er informierte das Management, dass im Geschäft mit Kunden aus der USA bankinterne Regeln verletzt werden.
Wenig später überwarf sich Birkenfeld aber mit seinen Vorgesetzten und packte aus. Er dokumentierte den Justizbehörden das Geschäft der UBS mit US-Kunden und brachte damit das Vermögensverwaltungsgeschäft der Schweizer Banken ins Wanken. 2008 bekannte sich Birkenfeld schuldig.
Damit waren die Schleusen geöffnet und die US-Justiz stellte Forderungen an den Finanzplatz Schweiz. Die UBS bekannte sich später schuldig und zahlte in einem Vergleich 780 Millionen Dollar. Birkenfeld sass bis 2012 seine Gefängnisstrafe ab und lebt heute von der Belohnung von 104 Millionen Dollar als Kronzeuge.
Kronzeuge Martin Liechti
Direktor der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung und Vorgesetzter von Birkenfeld war zu dieser Zeit Martin Liechti. Nicht zuletzt wegen der Aussagen von Birkenfeld wird Liechti im April 2008 in Miami, Florida, aus dem Flugzeug heraus als erster UBS-Topmanager verhaftet. Für die US-Justiz ist Liechti einer der wichtigsten Zeuge («material witness») im Verfahren gegen Weil und damit gegen die UBS.
Kurz darauf entschuldigte sich die UBS vor einem Ausschuss des US-Senats für das Fehlverhalten der Bank und kündigte den Rückzug aus diesem Geschäft an.
Die Gewitterwolken über der UBS verdichteten sich aber weiter: Im Juni 2008 verlangten die USA die Daten von 20'000 US-Kunden bei der UBS. Und im Oktober 2008 teilte der Bundesrat überraschend mit, dass per Notrecht die kriselnde UBS mit sechs Milliarden Franken unterstützen werden müsse.
Anklage gegen Raoul Weil wegen Verschwörung
Der Fall Raoul Weil
Am 6. November 2008 wurde beim Bundesbezirksgericht in Fort Lauderdale, Florida, die Akte «United States of America gegen Raoul Weil, 08-CR-60322» angelegt. Weil wird angeklagt, als Chef des globalen Vermögensverwaltungsgeschäfts der UBS US-Kunden geholfen zu haben, rund 20 Milliarden Dollar an den US-Steuerbehörden vorbeizuschleusen.
Laut Anklage soll sich Weil «mit den Mit-Verschwörern rechtswidrig, absichtlich und wissentlich in betrügerischer Absicht gegen die US-Steuerbehörden verschworen» haben. Weil bestreitet alle Vorwürfe. Bei der UBS fällt er in Ungnade und verlässt die Bank.
In den Ferien in die Falle
Für Raoul Weil schnappt die Falle am 19. Oktober 2013 zu. Bei einem Ferienaufenthalt in Bologna (IT) wird er von Carabinieri im Hotel festgenommen. Die Personalien auf dem Hotelmeldeschein stimmten überein mit denen auf dem internationalen Haftbefehl der USA gegen Weil. Nach der Auslieferung kommt Weil gegen eine Kaution von 10,5 Millionen Dollar vorerst auf freien Fuss.
Im Januar 2014 plädiert er bei der ersten Anhörung in Florida auf «nicht schuldig» und der Prozess wird auf Oktober verschoben. In New Jersey bereitet sich Weil seither auf seinen Prozess vor – als ranghöchster Manager einer Schweizer Bank, der je im US-Steuerstreit vor Gericht stand.