SRF News: Die Märkte haben viel erwartet und EZB-Chef Draghi liefert noch deutlich mehr. Kann man von einer Verzweiflungstat sprechen?
Eveline Kobler, SRF-Wirtschaftsredaktorin: Das ist mindestens nicht ganz abwegig. Draghi zeigte sich sehr besorgt, die Lage habe sich verschlechtert, vor allem die Weltwirtschaft lahmt halt, oder ist jedenfalls schlechter unterwegs, als man das noch vor ein paar Wochen gedacht hat. Das bremst auch die Konjunktur in der Eurozone.
Zudem ist die Inflation wirklich gefährlich tief in der Eurozone, aus der Sicht von Draghi. Er will eine Deflation um jeden Preis verhindern. Wenn die Preise mal auf breiter Front rutschen sollten, dann warten alle auf noch günstigere Preise, und das blockiert dann die Wirtschaft. Das will er verhindern. Von daher, Verzweiflungstat ist ein recht starker Ausdruck, aber es ist schon so, Draghi ist sehr besorgt.
Der Leitzins der EZB wird auf 0 Prozent gesenkt. Die US-Notenbank FED hat ihren im Dezember auf 0,5 Prozent erhöht. Wie erklärt sich diese unterschiedliche Strategie?
Vor allem mit dem Gang der Wirtschaft. In den USA hat die Wirtschaft die Krise schon weitgehend hinter sich gelassen. Sie steht robust da, sie hat auch angezogen. Die Arbeitslosenzahlen sinken. Da war eine erste Zinserhöhung verkraftbar für die Wirtschaft. In der Eurozone gibt es eben mehrere Länder, die schwach unterwegs sind und da ist an eine Zinserhöhung nicht zu denken. Die Wirtschaft sucht immer noch Tritt.
In den USA war eine Zinserhöhung verkraftbar.
Unterschiedliche Situation also in den USA und der Eurozone. Helfen Draghis Massnahmen den schwächelnden Ländern?
Das ist umstritten. Draghi fokussiert vor allem darauf, die Kreditübergabe anzukurbeln. Die Banken sollen noch mehr und noch billigeres Geld bekommen, das sie dann eben in Form von Krediten an Firmen und Private weitergeben können. Die sollen dann investieren und die Wirtschaft auf Trab bringen.
Aber die Frage ist halt, ob diese Geldschwemme wirklich in der Realwirtschaft ankommt. Es gibt da dieses Bild von den Pferden, die man zur Tränke führen kann, aber trinken müssen sie selber. Vermehrt gibt es Kritiker, die sagen, an Wasser habe es den Pferden eigentlich nicht gemangelt.
Hören Sie hier das ganze Interview mit Eveline Kobler