Während viele Staaten die Energiewende anstreben und erneuerbare Energien fördern, steigt der weltweite Verbrauch von fossilen Brennstoffen ungehindert weiter. 2024 stiegen der Verbrauch und die dadurch verursachten CO₂-Emissionen auf ein neues Rekordhoch. Rohstoffexperte Norbert Rücker weiss mehr über die Gründe.
SRF News: Welche Entwicklung sehen wir bei den fossilen Energieträgern?
Norbert Rücker: Beim Kohlenmarkt gibt es verschiedene Tendenzen: China sieht einen Zuwachs der Kohlenachfrage, gleichzeitig geht in Europa und den USA die Nachfrage zurück. Beim Ölmarkt scheint eine strukturelle Wende einzusetzen, ausgelöst durch die starke Zunahme der Elektromobilität in China. Dort sprechen wir von einer Stagnation, vielleicht sogar von einem sogenannten Peak Oil, also einer Spitze der Nachfrage. Wenn wir den Gasmarkt anschauen, dann sehen wir Wachstum in China, wiederum starkes Wachstum in den USA wegen der günstigen Preise, und einen Rückgang in Europa.
China ist die Werkbank. Sie brauchen also die Energie für die Produkte, die wir dann hier bei uns kaufen.
Weshalb wird Kohle in China so stark nachgefragt?
Der chinesischen Wirtschaft geht es nicht so gut. Sie produziert sehr viel für den Export. Das hilft ihnen, die eigene Malaise zu Hause zu übertünchen. Zudem gibt es eine grosse Nachfrage nach chinesischen Produkten. China ist die Werkbank. Sie brauchen also die Energie für die Produkte, die wir dann hier bei uns kaufen. Dann kam hinzu, dass in China die Wasserkraft nicht immer genügend zur Verfügung stand. Und China wollte auch die eigenen Kohlelager aufstocken, welche wegen der Energiekrise vor zwei, drei Jahren sehr tief gesunken sind.
Viele Länder wollen ihre Emissionen reduzieren, weshalb steigt der Verbrauch von fossilen Brennstoffen weiter?
Entwicklungsländer oder Schwellenländer wie China haben teilweise auch Netto-Null-Ziele. Das sind aber eher langfristige Ziele. Europa hat striktere, kürzere Netto-Null-Ziele, die aber nur die fossilen Energien im eigenen Land betreffen. Importierte Produkte, deren Abdruck nicht bei uns in Europa, sondern in China entsteht, sind dadurch nicht abgedeckt. Damit verursachen wir ausserhalb von Europa Emissionen, die nicht zu Netto-Null passen. Und da sollten wir schon ehrlich zu uns sein.
Einzig bei der Gasnachfrage sehen wir auch in Zukunft ein leichtes Wachstum voraus.
Ist eine Wende bei den fossilen Brennstoffen absehbar?
Beim Kohleverbrauch ist ein Rückgang absehbar. Einerseits weil Gas günstiger wird, andererseits weil es zurzeit einen massiven Ausbau der Erneuerbaren gibt. Wir gehen ebenfalls davon aus, dass der Verbrauch von Erdöl demnächst zurückgehen wird, ebenfalls wegen der Elektromobilität. Zum Beispiel hat inzwischen in China jedes zweite Auto, welches neu auf die Strasse kommt, einen Stecker. Das sind sehr viele Autos. Einzig bei der Gasnachfrage sehen wir auch in Zukunft ein leichtes Wachstum voraus.
Das Gespräch führte Luc Ruffieux.