In einem Parkhaus beim Bahnhof Luzern zeigt Patrick Marti auf die markanten, roten Fahrzeuge. Er ist Geschäftsführer von Mobility: «Mit unserer Flotte möchten wir das Schweizer Bedürfnis an Autos abdecken, so dass für jeden etwas dabei ist.»
Vom kleinen Smart bis hin zum grossen Transporter – selbst das Cabriolet fehlt nicht. An 1500 Standorten in der Schweiz stehen inzwischen knapp 3000 Fahrzeuge. Eines davon hat Marti vorgängig reserviert und öffnet es nun mit seiner Mitgliederkarte am Kontaktpunkt an der Windschutzscheibe: «Wir sind startbereit.»
Anzahl Privatfahrzeuge nimmt weiter zu
Seit der Gründung von Mobility vor 20 Jahren wächst die Zahl der Fahrzeuge und Mitglieder, die inzwischen bei über 130'000 liegt. Die Idee dahinter: Nicht jede und jeder muss selber ein Auto besitzen – kann aber trotzdem jederzeit eines nutzen.
Allerdings: Im Gleichschritt mit dem Wachstum von Mobility nimmt auch die Zahl der Privatautos zu. Inzwischen sind es über 4,5 Millionen Fahrzeuge. Ohne Mobility wären die Staus aber noch länger, das Suchen von Parkplätzen noch langwieriger, ist Marti überzeugt: «Wir können beweisen, dass wir mit einem Mobility-Auto zehn Privatfahrzeuge ersetzen.» Die 3000 Autos von Mobility entsprechen also theoretisch 30'000 privaten Fahrzeugen.
Verschiedene Zahlungsmodelle
- Mobility bietet die Mitgliedschaft über eine Jahresgebühr oder über einen einmaligen Betrag, um Genossenschafter zu werden, an. Verrechnet werden Gebühren für die Anzahl gefahrener Kilometer und für die Benutzungsdauer.
- Bei Sharoo ist Mitgliedschaft an sich gratis. Der Vermieter bestimmt die Preise und die verfügbaren Zeiten. Der Besitzer des Autos kann zudem bestimmen, mit welcher Gruppe und in welchem Umkreis sie oder er sein Auto teilen will.
Der Wunsch, aus Prestigegründen ein eigenes Auto zu besitzen, schwindet, beobachtet Marti: «Wir merken ganz stark, dass viele Junge gar kein eigenes Auto mehr möchten. Ich glaube, das Auto als Statussymbol hat ausgedient, vor allem bei der jüngeren Generation.»
Dies gilt auch für städtische Gebiete, wo der öffentliche Verkehr meistens sehr gut ausgebaut ist. Marti glaubt deshalb gerade dort an die Zukunft des Autoteilens, und gibt nach einer kurzen Fahrt den roten Kleinwagen frei für den nachfolgenden Mieter.
Plattform Sharoo sieht Airbnb als Vorbild
Sein eigenes Auto mit anderen teilen – daran glaubt Carmen Spielmann. Auch sie steigt in ein Auto ein, das nicht ihr gehört: «Es gehört einem von unseren 1300 Vermietern, der hier ganz in der Nähe von Zürich wohnt.» Spielmann ist die Chefin von Sharoo – einer Internet-Plattform, auf der private Autobesitzer ihr Fahrzeug anbieten können, um es anderen Menschen zugänglich zu machen.
Was bei Airbnb mit dem Vermieten der eigenen vier Wänden funktioniert, müsse ebenfalls mit dem Auto klappen, ist sie überzeugt: «Airbnb ist für uns gewissermassen ein Vorbild und der Nachweis, dass so ein Konzept wirklich grossflächig funktionieren kann.»
Privatauto steht meistens herum
Auch Spielmann stellt einen Wandel fest: Ein eigenes Auto als Statussymbol verliert an Bedeutung. «Sinn- und Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Aspekt. Macht es Sinn, ein Auto zu haben, das einfach nur herumsteht? Wir merken, dass gerade in der Schweiz dieses Gedankengut wichtig ist, und dass man sich entscheidet, das Auto zu vermieten.»
Genau das ermöglicht Sharoo. Der Dienst steht allerdings erst am Anfang: 2013 als Jungunternehmen gegründet, haben sich bis heute 46'000 Nutzer registriert, ca. 1300 Fahrzeuge stehen zur Verfügung. Zumindest auf dem Papier ist das Potenzial für das Teilen des eigenen Wagens beträchtlich: Der grösste Teil der Fahrzeuge steht nämlich meistens ungenutzt herum: Im Schnitt über 23 Stunden pro Tag.
Das sagt der Verkehrssoziologe Timo Ohnmacht von der Hochschule Luzen:
Carsharing ist immer noch eine Nische – aber eine Nische mit grossem Wachstum. Die grössten Zuwächse finden in den Städten statt, Carsharing ist also vor allem ein städtisches Phänomen. Trotzdem möchten viele Leute nach wie vor die Sicherheit haben, jederzeit auf ihr eigenes Fahrzeug zugreifen zu können – ohne Einschränkung. Das ist der Hauptgrund, wieso die allermeisten Autofahrer immer noch über ein eigenes Auto verfügen. Ausserdem sind die Kosten für ein eigenes Auto in den letzten Jahren gesunken. Die Zukunft für Carsharing liegt wohl darin, ein Teil im Verkehrsmittel-Mix zu sein. So ist auch ein Zuwachs bei jenen Carsharing-Nutzern festzustellen, die zugleich ein Generalabonnement des ÖV besitzen. Für grosse Strecken nimmt man also den Zug, am Zielort steigt man auf ein gemietetes Auto um. |