SRF News: Was steht mit dem Brexit für die Finanzwelt auf dem Spiel?
Maren Peters: Es geht vor allem viel Geld. Wenn es tatsächlich eine harte Scheidung mit der EU gibt, dann werden die Banken und Investmentfirmen Probleme haben, ihr grenzüberschreitendes Geschäft auch künftig von London aus zu betreiben. Ein wahrscheinliches Szenario ist, dass einige dieser Firmen ihre Aktivitäten verlagern, wie mir ein Vertreter der Rating-Agentur Moody's sagte. Dann könnten sie auch ihr Kapital in grossem Stil aus Grossbritannien abziehen. Das dürfte auch dramatische Folgen jenseits der Finanzwelt haben – für den Arbeitsmarkt, für die britische Wirtschaft, aber auch für den Rest der Welt. Darum sind nicht nur Investoren nervös. «It's a lose-lose for all»: Der Brexit sei ein Verlust für alle, sagt ein Fondsmanager. Die Unsicherheit ist riesig. Das sieht man auch am Devisenmarkt: Der Pfundkurs ist diese Woche auf ein 31-Jahres-Tief gesunken.
Sie waren am Treffen des Internationalen Bankenverbandes. Welche Probleme sehen dessen Vertreter mit dem Brexit auf sich zukommen?
Eine ganze Reihe: Sie fürchten um ihren Zutritt zum EU-Markt. Wenn die EU die Grenzen dichtmacht, wird es für Banken und vor allem grosse Investmentfirmen zu aufwändig und damit zu teuer, globale Geschäfte von London aus zu betreiben. Sie fürchten auch, dass sie künftig keine guten Leute mehr bekommen, weil mit dem Brexit auch die Personenfreizügigkeit zwischen Grossbritannien und der EU auf dem Spiel steht. Es sind ähnliche Sorgen, wie wir sie hier in der Schweiz haben. Sie sorgen sich auch, dass die Steuern steigen, und dass die Regulierungen für die Branche ohne EU härter werden könnten, um nur einige Beispiele zu nennen.
Derzeit sieht es danach aus, dass die EU dem Finanzplatz London keinen privilegierten Zugang zu den Europäischen Finanzmärkten gewähren will. Welche Zukunft verheissen die Bankenvertreter dem Finanzplatz London?
Das ist im Moment noch offen, wird aber hier in Washington intensiv diskutiert. Man merkt, dass die Finanzleute sehr an London hängen, auch wegen der schwachen Regulierung und der tiefen Steuern. Aber es wurde in der Diskussion auch klar: Vor allem die Investmentbanken, die ein Grossteil ihres Geschäft ausserhalb Grossbritanniens machen, dürften sehr schnell reagieren, wenn sie die Rahmenbedingungen ändern und beispielsweise die Steuern steigen.
Frankfurt hat am IWF-Treffen bereits Flyer verteilt, mit der Einladung, sich doch dort anzusiedeln.
Dann würden sie Mitarbeiter, Kapital, Geschäftseinheiten oder die ganze Firma an einen günstigeren Standort verlagern. Wohin ist noch nicht klar. Das sagt auch der frühere britische Notenbanker Sir Andrew Large: «Die Frage stellt sich, was passiert, wenn das Business aus London abwandert. Geht es nach Paris? Lässt es sich woanders in der EU nieder?» Der Wettbewerb jedenfalls läuft schon: Frankfurt hat an diesem Bankertreffen zum Beispiel bereits Flyer verteilt, mit der Einladung, sich doch dort anzusiedeln. Aber noch ist es für die meisten Firmen nicht so weit.
Das Gespräch führte Claudia Weber.