Eine verkehrte Welt: Seit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative spricht alles vom Inländervorrang. Bei den grössten Schweizer Konzernen ist das aber scheinbar kein Thema.
Denn eine Auswertung der Angaben von 15 SMI-Firmen, die in der Schweiz 102'000 Personen beschäftigen, zeigt ein überraschendes Bild. Diese haben im letzten Jahr hierzulande zusammen netto 910 Stellen abgebaut, etwa durch Stellenstreichungen, Verkäufe an andere Firmen oder Verlagerungen ins Ausland.
Ausländeranteil auf 41 Prozent gestiegen
Getroffen hat das vor allem Schweizerinnen und Schweizer: 2690 weniger von ihnen beschäftigten die Konzerne im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig erhöhten die Konzerne die Zahl ihrer ausländischen Angestellen in der Schweiz um 1780 Personen. Der Ausländer-Anteil in der Belegschaft hat sich damit von 39 auf 41 Prozent erhöht.
Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé beispielsweise erhöhte den Ausländeranteil von rund 50 auf rund 60 Prozent. Der Telekomriese Swisscom beschäftigte Ende 2016 in der Schweiz 400 Schweizer weniger als im Vorjahr, gleichzeitig aber 210 mehr Ausländer. Und bei Roche und Novartis sind es ebenfalls mehrere Hundert weniger Schweizer bei gleichzeitig mehreren Hundert zusätzlichen Ausländern. Bei den Basler Pharma-Multis sind denn auch die Ausländer-Anteile sehr hoch: Über 60 Prozent der rund 14'000 Roche-Mitarbeitenden in der Schweiz besitzen ausschliesslich einen ausländischen Pass, bei Novartis sind es gar rund 70 Prozent.
Firmen seien auf Ausländer angewiesen
Novartis versuche, «wo immer möglich und sinnvoll» ihre Stellen in der Schweiz über den inländischen Arbeitsmarkt zu besetzen, schreibt der Konzern auf Anfrage. Und: «Die mangelnde Verfügbarkeit gewisser Qualifikationen im Inland – kombiniert mit unserem Anspruch, am Hauptsitz in Basel auch in kultureller Hinsicht einen unserer internationalen Tätigkeit angemessenen Mix zu pflegen – führt zusammen mit der grenznahen Produktion dazu, dass wir in der Schweiz traditionell einen vergleichsweise hohen Ausländeranteil aufweisen.» Novartis sei dem Standort Schweiz verpflichtet, «auch wenn die Anstellung dringend benötigter ausländischer Fachkräfte hierzulande teuer und durch die politische Entwicklung der letzten Jahre nicht unbedingt einfacher geworden ist.»
Ähnlich äussert sich Roche: «Um auch in Zukunft innovative Medikamente und Diagnostika entwickeln zu können, sind wir darauf angewiesen, die talentiertesten Mitarbeitenden zu gewinnen.» Roche rekrutiere das Personal aufgrund ihres Leistungspotenzials und ihrer Eignung für die zu besetzende Position. Sei die benötigte Qualifizierung gegeben, würden vorrangig Mitarbeitende aus der Region eingestellt. «Sollte dies nicht der Fall sein, weiten wir die Suche nach qualifizierten Arbeitskräften auf den nahen ausländischen, und, falls nötig, auf den weltweiten Arbeitsmarkt aus.»
Swisscom betont, dass die Zunahme an Ausländern in erster Linie auf die Integration der Firma Veltigroup zurückzuführen sei, welche Standorte in Genf und Lausanne habe und darum viele Grenzgänger beschäftige.
Es geht auch anders
Es gibt aber auch Firmen, die den Anteil der Schweizer in ihrer Belegschaft erhöht haben, etwa Geberit. Der Sanitärtechnik-Konzern hat im letzten Jahr 29 Ausländer abgebaut und 32 Schweizer angestellt bei insgesamt 1336 Angestellten in der Schweiz. Er hat damit den Ausländeranteil von 27 auf 25 Prozent gesenkt.
* eigene Berechnung aufgrund des Ausländeranteils in Prozent in den Jahren 2015 und 2016 gemäss Firmenangabe
** eigene Berechnung unter Einbezug des Wegfalls von rund 700 Personen, die zum Joint-Venture Froneri gewechselt haben.