Die heutige Regelung mit fünf Prozent sei nicht mehr zeitgemäss, sagt Martin Neff, der Chefökonom der Raiffeisen-Gruppe. Das entspreche nicht der aktuellen Tief-Zins-Realität: «Der aktuelle Satz ist deutlich tiefer. Wir können heute zehnjährige Festhypotheken abschliessen, von denen die einen oder anderen vielleicht schon eine Null vor dem Komma, aber ganz sicher keine Zwei mehr haben.»
Trotzdem wird geprüft, ob der Kunde auch bei fünf Prozent Zins noch zahlen könnte. Diesen Risikopuffer haben sich die Banken selber auferlegt, aber er sei zu gross, kritisiert nun Neff. Denn mit dieser Berechnung werde sogar die Mittelschicht vom Erwerb von Wohneigentum ausgeschlossen. Er meint Haushalte mit einem Jahreseinkommen von 115‘000 bis 120‘000 Franken. «Sie verbauen einem jungen Haushalt die Möglichkeit, viel Wohnkosten zu sparen, weil Sie ihn mit dieser Regelung in den Mietwohnungsmarkt zwingen. Er hätte eigentlich Potential, im Eigentumsmarkt auch eine Wohnung zu finden und deutlich zu sparen.»
Sie verbauen einem jungen Haushalt die Möglichkeit, viel Wohnkosten zu sparen.
«Zinsen bleiben nicht so tief, wie sie jetzt sind»
Die Raiffeisen-Gruppe fordert derzeit am lautesten, dass die Tragbarkeitskriterien für einen Hauskauf gelockert werden müssten. Doch das könnte sich bald ändern, sagt Manuel Ammann, Bankenprofessor an der Universität St. Gallen: «Je länger die sehr tiefen Zinsen anhalten werden, desto weniger Leuten werden glauben, dass diese Zinsen nochmal auf fünf Prozent werden steigen können und desto mehr wird diese Regel unter Druck kommen.»
Bankenprofessor Ammann warnt aber, dass die Zinsen schneller wieder steigen könnten als erwartet: «Ob sie dann wieder auf fünf Prozent hoch steigen, das weiss man heute nicht, aber es wäre sicher gefährlich, wenn man glauben würde, die Zinsen würden auf ewig so tief bleiben, wie sie jetzt sind.»
Wohneigentum als Verfassungsauftrag
Dass die Raiffeisen-Gruppe als Marktführerin bei den Hypotheken die Vergabekriterien dennoch lockern will, hat damit zu tun, dass sie noch mehr Kunden eine Hypothek verkaufen will, weil sie an Wachstumsgrenzen stösst. Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff streitet das auch gar nicht ab: «Natürlich wollen wir Geschäfte machen, wir sind keine reinen Altruisten», sagt er. Er sei dennoch der Meinung, dass man gegenwärtig in der Schweiz in der Situation sei, dass man dem Auftrag einer breiten Wohneigentumsförderung, wie er in der Bundesverfassung stehe, nicht mehr nachkommen.
Dieser politische Auftrag, Wohneigentum zu fördern, stehe im Gegensatz zu ökonomischen Überlegungen, sagt hingegen Bankenprofessor Manuel Ammann. Ein klassischer Zielkonflikt: «Steuerlich wird man dazu angehalten, möglichst hohe Schulden zu haben und diese Schulden nicht abzuzahlen, gleichzeitig muss man dann wieder regulierend eingreifen, damit sie sich nicht zu hoch verschulden. Es ist eine Tatsache, dass die Schweizer Haushalte im internationalem Vergleich rekordhoch verschuldet sind.»
Finma ist kritisch
In einer Krise könnte das für eine einzelne Bank, aber auch für die Stabilität des Finanzsystems insgesamt problematisch sein. Deshalb steht auch die Finanzmarktaufsicht Finma einer Lockerung der Hypotheken-Regeln kritisch gegenüber.