Rund um den Bodensee sind gut 15 Unternehmen aus dem Rüstungsbereich angesiedelt. Für die Region sind sie wichtige Steuerzahler und gehören zu den grössten Arbeitgebern. Mehrere Tausend Personen arbeiten auf deutscher und Schweizer Seite für die Rüstungsindustrie.
Keine Mowag = höhere Steuern
Die Mowag in Kreuzlingen gehört zum US-amerikanischen Rüstungsunternehmen General Dynamics. Der Betrieb mit 740 Mitarbeitern produziert gepanzerte Fahrzeuge und ist der grösste Arbeitgeber der Region. Und ein grosser Steuerzahler.
Für die nächsten Jahre plant die Stadt Kreuzlingen Infrastruktur-Projekte im Umfang von 50 bis 60 Millionen Franken. Laut Stadtpräsident Andreas Netzle sei dies auch ohne Mowag möglich. «Aber im Einzelfall müsste man vielleicht eine Steuererhöhung ins Auge fassen», so Netzle. Momentan gehe es der Stadt gut, in den letzten Jahren habe man immer einen Überschuss in der Kasse verbucht. «Dies ist aber nicht auf Ewigkeit so festgeschrieben. Wir brauchen jeden Steuerfranken, um diese Dinge zu finanzieren, die wir uns vorgenommen haben», sagt Andreas Netzle.
Doch die Mowag steht unter wirtschaftlichem Druck, im letzten Jahr erhielten 100 Mitarbeiter die Kündigung. Grund sind die Sparmassnahmen in europäischen Ländern und in den USA. Verteidigungsbudgets wurden gekürzt, Beschaffungsvorhaben hinausgezögert. Die Mowag will nun von den neuen Wachstumsmärkten in Asien und dem Nahen Osten profitieren. Doch Kriegsmaterial-Exporte, beispielsweise nach Saudi-Arabien, werden aufgrund der dortigen Menschenrechtssituation nicht bewilligt.
Laut dem Marketing-Direktor und Mitglied der Geschäftsleitung, fühlt sich das Unternehmen gegenüber der ausländischen Konkurrenz benachteiligt: «Die strenge Kriegsmaterialverordnung behindert uns stark. Die Schweiz ist das einzige Land in Europa, welches Exporte nach Saudi-Arabien verbietet», sagt Heinz König. Er will eine Lockerung des Gesetzes. «Damit wir wieder gleich lange Spiesse haben wie des europäische Umfeld».
Kriegsmaterial an Länder im Konflikt
Unterstützung erhält König von Politikern, aber auch vom Branchenverband Swissmem. Dabei handhabt der Bundesrat die eigene Verordnung bereits grosszügig. In der Schweizer Kriegsmaterialverordnung steht klar: Auslandsgeschäfte werden nicht bewilligt, «wenn das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist». Doch sowohl Frankreich wie auch die USA beziehen Kriegsmaterial aus der Schweiz, obwohl die Länder in bewaffnete Konflikte in Mali und Afghanistan verwickelt sind. Deutsche Truppen sind ebenfalls in Afghanistan stationiert, 2012 war Deutschland der grösste Abnehmer von Schweizer Kriegsmaterial.
Marco Sassòli, Professor für öffentliches internationales Recht an der Universität Genf, hat den Bundesrat für dessen Auslegung der eigenen Verordnung kritisiert. Bricht die Schweiz mit Lieferungen an Staaten wie Frankreich und Deutschland ihre eigenen Export-Regeln? Marco Sassòli: «Ja. Die momentane Verordnung schliesst das aus. Und darum versucht der Bundesrat, den Begriff des bewaffneten Konflikts zu manipulieren.»
Bereits 2009 sagte der Bundesrat dazu: Lieferungen könnten stattfinden, wenn ein Einsatz im Rahmen eines Uno-Mandats oder mit dem Einverständnis betroffener Regierungen erfolge.
Der Druck auf den Bundesrat, die Kriegsmaterialverordnung zu lockern, wird zunehmen. Er wird sich entscheiden müssen. Entweder viele Arbeitsplätze in der Schweizer Rüstungsindustrie. Oder möglichst wenig Menschen, die durch Schweizer Waffen sterben – beides zusammen ist nicht möglich.