Man kann es drehen und wenden wie man will: In der Stahlproduktion lässt sich der Ausstoss an CO₂ nicht ganz verhindern, auch in Gerlafingen nicht. Doch weil hier im Solothurnischen nicht neuer Stahl produziert, sondern alter Schrott rezykliert wird, ist dies schon mal besser für das Klima.
Für die Produktion einer Tonne Stahls werden in Gerlafingen 400 Kilogramm CO₂ ausgestossen.
Die Hälfte des Schweizer Schrotts landet in Gerlafingen. Tag und Nacht werden im Stahlwerk in einem Elektrolichtbogenofen alle Dreiviertelstunde rund 80 Tonnen Schrott auf 1600 Grad erhitzt und in Stahl gegossen.
Stahlwerk laufend modernisiert
Künftig geschieht das vielleicht sogar mit Ökostrom. Man modernisiere das Werk seit Längerem, erklärt Hélène Smagghe, Marketing- und Verkaufsleiterin bei Stahl Gerlafingen.
So sei Anfang März ein neuer Ofen in Betrieb genommen worden, der 20 Prozent weniger Erdgas verbrauche als der alte. Ausserdem sei es möglich, darin in Zukunft auch ein Gemisch aus Wasserstoff und Erdgas zu verbrennen.
Viel CO₂ entsteht neben der Produktion beim Transport des Stahls. Dabei setzt Gerlafingen statt auf Lastwagen vor allem auf die Bahn. Werke, die mithilfe von Kohle neuen Stahl herstellen, seien da deutlich schlechter aufgestellt, sagt Smagghe. «Für die Produktion einer Tonne Stahls werden in Gerlafingen 400 Kilogramm CO₂ ausgestossen». Dies im Vergleich zu zwei Tonnen CO₂, die in einem Hochofen pro Tonne Stahl anfielen.
Umstrittener grüner Stahl
Die italienische Beltrame Gruppe, die hinter Stahl Gerlafingen steht, will ihren CO₂-Ausstoss bis 2030 deutlich senken. Neu bietet sie sogar einen CO₂-freien Stahl an – grünen Stahl sozusagen.
Das ist möglich, indem das entstehende CO₂ kompensiert wird – die CO₂-Emissionen bei diesem grünen Stahl werden also mit Investitionen in Umweltprojekte ausgeglichen. Man arbeite mit Zertifikaten, so Marketingleiterin Smagghe.
Es ist nicht real, dass die CO₂-Emissionen dank Zertifikaten tatsächlich ausgeglichen werden können.
Beim WWF gelten die Kompensationszertifikate als problematisch. «Wir sehen das ganz klar als Greenwashing an», sagt WWF-Energie- und Klimaschutzexperte Patrick Hofstetter. Die Kunden würden durch das grüne Label getäuscht. «Es ist nicht real, dass die CO₂-Emissionen so tatsächlich ausgeglichen werden können.»
Im konkreten Fall, beim grünen Stahl aus Gerlafingen, wird ein Wasserkraftwerk in Georgien unterstützt. Das Problem: Georgien rechnet sich diese CO₂-Reduktion ebenfalls an. Diese doppelte Berechnung sei quasi ein Nullsummenspiel, sagt Hofstetter.
Diesen Vorwurf weist Stahl Gerlafingen auf Anfrage von sich. Der Staat Georgien erhalte keine Kohlenstoffgutschriften aus diesem Projekt und könne deshalb nichts doppelt berechnen. Das Wasserkraftprojekt sei im Verra-Register eingetragen. Dieses internationale Register schütze Stahl Gerlafingen vor dem Risiko der Doppelzählung.
Stahl Gerlafingen betont, dass man bei den CO-2 Zertifikaten nur auf den sogenannten Goldstandard setze. Das Wasserkraftwerk erzeuge Energie und diese werde in das Netz des Staates Georgien eingespeist. Es werde der Anteil der dem Land zur Verfügung stehenden grünen Energie erhöht.
Recycling allemal besser
Klar ist aus Sicht von Stahl Gerlafingen, dass das Recycling besser ist, als die Herstellung von Stahl. So werde fünfmal weniger CO₂ ausgestossen als bei der Produktion von neuem Stahl, betont Marketingchefin Smagghe. «Der ökologische Fussabdruck ist deutlich kleiner.»
Da stimmt auch WWF-Energieexperte Hofstetter zu. Dieses Stahlrecyclingwerk in Gerlafingen sei deshalb wichtig für die Schweiz.