Im modernen Swisscom-Geschäftshaus in Zürich West herrscht eine Mischung aus klassischer Arbeitsatmosphäre und chaotischem Start-Up Groove. Das ist so gewollt, denn der Telekom-Anbieter will sich als IT-Dienstleister neu erfinden. Und so brüten die Angestellten an der Pfingstweidstrasse über neue Digitalgeschäfte für unterschiedlichste Branchen. Im Geschäft mit den Grosskunden arbeitet bereits ein Viertel der Belegschaft und erzielt einen Umsatzanteil in gleicher Höhe.
Angepeilt sind gegenwärtig die Krankenkassen. Die Kostenfrage dient den Swisscom-Leuten als Verkaufsargument ihrer IT-Dienstleistungen. Als erster Krankenversicherer hat die Sanitas angebissen. Sie lagert grosse Teile ihrer Informatik an die Swisscom aus. Von der Datenverwaltung der 800‘000 Versicherten bis hin zu den entsprechenden Arztrechnungen. Um das Pilotprojekt zum Erfolg zu führen, übernimmt die Swisscom 30 Informatik-Mitarbeitende der Sanitas. Mit ihrer Branchenlösung hofft die Swisscom auf weitere Krankenversicherer.
Zurückhaltend gibt sich Sanitas bezüglich Informationen zur Kosteneinsparung. Lukas Vogt aus der Geschäftsleitung spricht von einem «tiefen zweistelligen Prozentbetrag». Viel wichtiger sei, dass sich die Sanitas im IT-Bereich entlaste und damit besser auf ihr Kerngeschäft fokussieren könne. Die Swisscom als Geschäftspartnerin habe man gewählt, weil sie Sicherheit und vor allem Datenschutz gewährleiste: «Das haben die Aufsichtsbehörden bei uns angeschaut, bevor sie zugestimmt haben», sagt Lukas Vogt.
Swisscom bereits Nummer zwei
Die Swisscom schätzt den Schweizer Markt für Informatik-Dienstleistungen auf 8,7 Milliarden Franken. Ihren Anteil daran beziffert sie mit 761 Millionen Franken, hinter IBM die Nummer zwei. Gewachsen ist die Swisscom in den vergangenen Jahren hauptsächlich durch gezielten Aufkauf spezialisierter Unternehmen der Informatik-Branche.
Grundlegende Erfahrungen sammelte die Swisscom im Geschäft mit den Banken. Für viele Kantonal- und Regionalbanken verarbeitet sie Daten in ihren Rechenzentren. Sie wickelt Zahlungsverkehr und Wertschriftengeschäfte ab. Marcel Walker leitet das Banking-Geschäft der Swisscom. Laut Walker zeigt die Erfahrung: «Ein typischer Arbeitsprozess wird ausgelagert, wenn man ihn rund 30 Prozent günstiger abwickeln kann, als wenn man ihn selber macht.»
Konto-Eröffnung online für Valiant
Ausgereizt ist das Geschäft noch lange nicht: Für die Valiant-Bank liefert die Swisscom eine spezielle Software. Schweizer Kunden soll künftig von zuhause aus online ein Bankkonto eröffnen können. Der Kunde muss nicht mehr zur Bankfiliale, um sich auszuweisen. Dies geschieht online durch einen Swisscom Mitarbeiter. Die Software prüft, ob der Ausweis echt und die Daten richtig sind.
Die Finanzmarktaufsicht hat bereits Zustimmung zur Online-Kontoeröffnung signalisiert. Christoph Wille aus der Valiant-Geschäftsleitung verantwortet diese Entwicklung: «Die digitale Identifizierung hilft uns künftig, neue Marktgebiete zu erschliessen, ohne dass wir ein dichtes Filialnetz brauchen.» Mit anderen Worten: Die Valiant investiert jährlich rund 4 Millionen Franken in die Digitalisierung, senkt dafür langfristig die Kosten.
Avaloq: Internationaler Player
Die Stärke der Swisscom sei ihre nationale Verankerung, sagt ihr Banking-Spezialist Marcel Walker: «Es sind unser Netz, unsere Datenzentren, wir produzieren ausschliesslich in der Schweiz und haben die entsprechende Security selber im Griff.» Doch die Datenwelt endet nicht an der Grenze.
Im internationalen Markt mit Daten spielt die Zürcher Avaloq eine weit wichtigere Rolle. Im Inland hat sie der Swisscom bereits Marktanteile abgenommen. Und weltweit bedient sie 150 Banken an den wichtigsten Finanzplätzen der Welt, von Singapur bis Frankfurt.
Avaloq hat eine eigene Bankensoftware entwickelt und verarbeitet Zahlungsverkehr und Wertschriften-Geschäfte der Finanzinstitute: alles aus einer Hand. Markus Gröninger von Avaloq sagt, auf den Banken laste ein enormer Kostendruck. Deshalb würden Arbeitsprozesse immer stärker industrialisiert. «Wenn wir Auftragsvolumen bündeln wollen, ist der Schweizer Markt viel zu klein.» Das könne man nur international erreichen. Doch genau im internationalen Markt spielt die Swisscom bislang keine Rolle.
Bankensektor Schweiz (Marktanteile)
IT-Outsourcing (Rechenzentren) | |||
2013 | 2014 | 2015 | |
Swisscom | 47,3 % | 45,0 % | 44,2 % |
Inventx | 14,1 % | 13,9 % | 18,0 % |
Avaloq B-Source | 11,0 % | 14,9 % | 14,0 % |
IBM | 11,0 % | 11,3 % | 10,7 % |
Hewlett-Packard Enterprise | 4,2 % | 4,0 % | 3,9 % |
Finnova Appl. Mgmt. | 3,7 % | 3,7 % | 3,8 % |
Econis | 2,2 % | 2,2 % | 2,1 % |
Sobaco | 0,3 % | 0,3 % | 0,4 % |
Hypothekarbank Lenzburg | 0,8 % | 0,8 % | 0,2 % |
Übrige | 5,4 % | 3,9 % | 2,7 % |
BPO (Ausgelagerte Geschäftsprozesse) | |||
Swisscom | 40,6 % | 55,5 % | 49,4 % |
Finanzlogistik | 16,6 % | 26,9 % | 27,6 % |
Avaloq B-Source | 8,5 % | 7,7 % | 13,2 % |
Post Finance | 2,7 % | 2,9 % | 2,8 % |
Incore Bank | 0,2 % | 0,3 % | 0,4 % |
Hypothekarbank Lenzburg | 0,7 % | 0,3 % | 0,2 % |
Übrige | 30,7 % | 6,4 % | 6,4 % |
Quelle: Active Sourcing |