Gut 112'000 Personen waren Ende März in der Schweiz als arbeitslos eingeschrieben. Davon haben rund 40 Prozent keine Berufsausbildung oder nur eine Anlehre gemacht. Diese Quote ist seit der Jahrtausendwende konstant, also entgegen landläufiger Meinung durch die Digitalisierung nicht explodiert.
Unbestritten ist, dass die Stellensuche ohne Ausbildung zusehends schwieriger wird. Auch ist das Arbeitslosigkeitsrisiko bei Unqualifizierten dreimal höher als bei Personen mit einem Uni- oder Fachhochschulabschluss, wie eine Studie der Universität Basel zeigt.
Verlagerung in den Dienstleistungssektor
Die Anforderungen stiegen aber nicht, weil die Arbeit immer digitaler werde, erklärt der Basler Arbeitsmarktexperte George Sheldon. So sei es in den 1980er-Jahren viel schwieriger gewesen, mit Computern zu arbeiten. «Heute ist die Bedienung wesentlich einfacher, denn wenn die Technologie den Menschen nicht entgegenkommt, wird sie nicht angenommen.»
Sheldon sieht die Digitalisierung denn auch vielmehr als Fortsetzung eines Trends hin zu Rationalisierung und Automatisierung. Ein Trend, der vor allem im herstellenden Gewerbe schon seit Jahrzehnten zu beobachten ist. Als Folge davon habe der Dienstleistungssektor immer mehr Gewicht erhalten. Denn dort sei es schwieriger, Menschen durch Maschinen zu ersetzen.
Tiefere Löhne und höheres Risiko
«Das Problem von Niedrigqualifizierten ist, dass sie sich wegen des technischen Wandels mit Dienstleistungsberufen zufriedengeben müssen», betont Sheldon. Mit dem Mangel an Berufsqualifikation gingen niedrige Löhne oder verstärkte Arbeitslosigkeit einher. «Das ist nicht nur in der Schweiz so, sondern in allen Industrienationen», sagte Sheldon. Trotz dieser Entwicklung glaubt er nicht, dass es künftig mehr unqualifizierte Arbeitslose geben wird.
Zu diesem Schluss kommt auch eine Studie im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Denn mit der kleineren Nachfrage nach Unqualifizierten steige auch der Bildungsstand der Bevölkerung. Der Strukturwandel habe daher nicht zu zusätzlicher struktureller Arbeitslosigkeit geführt, folgert die Behörde.
Sheldon: Bildungssystem ist gut gerüstet
Ein Indiz für das steigende Bildungsniveau liefert die Maturitätsquote. Absolvierte 2000 erst jeder vierte Jugendliche eine gymnasiale Matur oder eine Berufsmatur, sind es heute 40 Prozent – mit steigender Tendenz.
Das Schweizer Bildungssystem sei gut gerüstet für die steigenden Anforderungen, sagt Sheldon und verweist auch auf die vielen, bereits bestehenden Passerelle-Möglichkeiten. Jedermann könne sich weiterbilden und höherkommen. Die Herausforderung bestehe darin, die bildungsfernen Schichten dazu zu bringen, dass sie die Chancen dieses Bildungssystems nutzten.
Die bildungsfernen Schichten müssen dazu gebracht werden, die Chancen des Bildungssystems zu nutzen.
Das Seco verweist auch auf die verstärkte Unterstützung von Jugendlichen bei der Lehrstellensuche und den Aufbau von verkürzten, zweijährigen Berufslehren. Der künftigen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt schaut die Behörde deshalb relativ gelassen entgegen: Angesichts des steigenden Qualifikationsniveaus der Bevölkerung gibt es keinen Grund, einen Anstieg bei unqualifizierten Arbeitslosen zu befürchten.
Dank steigendem Qualifikationsniveau ist ein Anstieg bei den unqualifizierten Arbeitslosen nicht zu befürchten.
Viele gut ausbildete Einwanderer
Das Qualifikationsniveau steigt im Zuge des Abkommens über die Personenfreizügigkeit (FZA) auch bei den Einwanderern. Mehr als die Hälfte davon verfügt über einen Hochschulabschluss.