Eigentlich sind Clearing-Häuser nichts anderes als eine Versicherung. Wenn an einer Börse Aktien oder andere Finanzprodukte gehandelt werden, tritt ein Clearing-Haus zwischen Käufer und Verkäufer – sie garantiert damit den Deal.
Doch die Milliarden-Risiken, die die Clearing-Häuser tragen, sind innert Kürze explosionsartig gestiegen. Sie gelten heute als systemrelevant. Der Konkurs eines ihrer Mitglieder könnte einen Domino-Effekt von Konkursen im Finanzsystem auslösen.
500 Billionen US-Dollar über Clearing-Häuser abgewickelt
Es waren die Regulatoren, die das Finanzsystem nach der Finanzkrise sicherer machen wollten und die Clearing-Häusern so gross werden liessen. Sie erliessen Gesetze, damit sogenannte ausserbörslich gehandelte Derivate, welche 2008 den US-Versicherer AIG in den Konkurs führten, neu über Clearing-Häuser abgewickelt werden. Banken sind seitdem verpflichtet, entsprechende Gelder zu hinterlegen.
Inzwischen wird die Hälfte dieser Derivate im Wert von 500 Billionen US-Dollar weltweit über Clearing-Häuser abgewickelt. Zu den Profiteuren der gesetzlichen Auflagen gehören in Europa vor allem die vier Clearing-Häuser, die die ganze Palette ausserbörslich gehandelter Derivate abdecken (s. Box).
Befürchtungen vor «too big to fail»
Marktführend im Derivate-Clearing ist LCH.Clearnet, die zur Londoner Stock Exchange gehört. LCH.Clearnet hat in den letzten zwölf Monaten Zinsderivate mit einem Volumen von 314 Billionen US-Dollar abgewickelt.
Im Zuge der geplanten Fusion der Londoner Börse mit der Deutschen Börse soll das Londoner Clearing-Haus mit der Clearing-Tochter der Deutschen Börse, Eurex Clearing, unter einem Dach vereint werden. Zusammen würden die Clearing Häuser LCH.Clearnet und Eurex Clearing der mit Abstand grösste Clearing-Akteur im europäischen Markt.
Die geplante Fusion weckt international Befürchtungen. François Villeroy de Galhau, der Direktor der französischen Nationalbank, warnte kürzlich: «Wenn sich die Clearing-Häuser der London Stock Exchange und der Deutschen Bank zusammenschliessen, besteht das Risiko, dass daraus ein Akteur entsteht, der ‹too big to fail› ist.» Der sonst liberale «Economist» warnt, die Zusammenlegung könnte fürchterliche Folgen haben.
Markus Leippold, Professor am Banking and Finance Institute der Universität Zürich, beobachtet den Clearing-Markt schon lange: «Die Risiken sind klar, es gibt ein ‹too big to fail›-Problem.» Die Situation sei paradox. Die Regulatoren hätten nach der Finanzkrise eigentlich gesagt, dass man die Banken nicht zu gross werden lassen wolle oder sogar verkleinere. «Auf der anderen Seite hat man durch die Zentralisierung des OTC-Geschäfts neue Riesen geschaffen – diese Clearing-Häuser», stellt Leippold fest. Die Regulation der Clearing Häuser müsse nun genau überlegt werden.
Mangelnde Transparenz zwischen den Häusern
Eurex-Clearing-Chef Erik Müller räumt im Interview mit «ECO» ein, dass die Transparenz zwischen den Clearing-Häusern verbessert werden könnte. Sein Haus habe etwa keinen Einblick in andere Clearing-Stellen.
Er äussert sich in «ECO» erstmals öffentlich über die geplante Partnerschaft: «Wir würden die zwei Clearing-Häuser separat und in ihrer rechtlichen Integrität so beibehalten, wie sie heute sind.»
Die Transparenz zwischen Eurex Clearing und LCH.Clearing könnte erhöht werden. Die beiden Clearing-Häuser könnten gegenseitig einblicken, welche Risiken beim anderen vorhanden seien. Bei Eurex Clearing glaubt man nicht, einen Akteur zu schaffen, der «too big to fail» ist.
Im Gegenteil, Eurex-Clearing-Chef Erik Müller sagt, dass die Zusammenlegung letztendlich die Aufrechnung gegenseitiger Risiken ermögliche, um Gebühren zu senken. «Das wiederum bedeutet, dass man Risiken in beiden Clearing-Häusern betrachtet und mögliche Verrechnungen vornimmt und damit Risiken reduziert in dem System», sagt Erik Müller.
Experte Markus Leippold ist nicht einverstanden. Natürlich könnten die Clearing-Häuser durch Fusionen und Konsolidierungen Kosten einsparen; das komme einerseits den Clearing-Mitgliedern zu Gute und andererseits auch den Kunden in diesen Derivatemärkten. Aber er wendet ein: «Das ist so unter normalen Marktbedingungen. Wenn aber eine Finanzkrise stattfindet oder ein Schock im System eintrifft, dann kann die Verletzbarkeit dieses Systems viel grösser sein und die Auswirkungen viel verheerender.»