Mit der Ausstellung «Grenzfälle» beleuchtet das Historische Museum Basel die Geschicke des Grenzkantons Basel-Stadt während der Zeit des Nationalsozialismus. Sie zeichnet ein Bild, das vom politischen Widerstand bis zu lukrativen Geschäftsbeziehungen reicht.
Gestaltet wurde die Ausstellung vom Basler Historiker Patrick Moser. Im Wochengastgespräch mit dem «Regionaljournal Basel» von Radio SRF erzählt Moser über die Ausstellung und die prägende Zeit des Zweiten Weltkriegs in der Grenzregion Basel.
Regionaljournal Basel: Herr Moser, weshalb trägt die Ausstellung den Titel «Grenzfälle» und nicht «GrenzVORfälle», schliesslich gab es an der deutsch-schweizerischen Grenze ja zahlreiche Vorfälle seinerzeit?
Patrick Moser: Einerseits soll zum Ausdruck kommen, dass es um verschiedene Fälle geht. Der Titel ist aber auch mehrdeutig gemeint: Grenzfälle soll im übertragenen Sinn auch heissen, dass es nicht immer schwarz-weiss gab, sondern auch Graustufen. Wenn man die Zeit historisch betrachtet, ist es schwierig zu unterscheiden, was damals richtig oder falsch gewesen war. Wir möchten mit diesem Titel die Vielschichtigkeit zeigen: Dass es um persönliche, geografische oder auch rechtliche und Grenzfälle geht.
Wenn Sie diese Ausstellung beschreiben müssen für jemanden, der nicht dort war. Nach welcher Logik gingen sie vor?
Wir haben keine chronologische Anordnung gemacht, sondern eine thematische und die Ausstellung in sechs Themenbereiche unterteilt. In Bereiche, die uns auch in der heutigen Zeit als wichtig erschienen. Insbesondere die Flüchtlingspolitik. Aber auch die Geschichte des jüdischen Basel, die generell in Vergessenheit geraten ist. Die Ausstellung behandelt Themen, die auch in der heutigen Zeit relevant sind.
Welche Rolle spielte die Basler Pharmaindustrie in dieser Zeit, insbesondere deren Handel mit Deutschland?
Da geht es einerseits um Produkte, die nach Deutschland geliefert wurden, wie Farbstoffe, zum Beispiel die Farbe Rot, die für die Hakenkreuzfahne verwendet wurde. Ein anderes Beispiel ist das Insektizid DDT, das 1942 auf den Markt gekommen ist und gleichzeitig auch nach Amerika verkauft wurde. Man machte also mit beiden Kriegsparteien Geschäfte.
Wie stand die Basler Bevölkerung gegenüber den Nazis?
Man muss berücksichtigen, dass Basel damals eine links regierte Stadt war. Dies spiegelt auch die Grundhaltung der Bevölkerung wider. Es gab auch die sogenannten Frontisten, diese waren aber klar in einer Minderzahl.
In Basel gab es während des Zweiten Weltkriegs eine grosse jüdische Gemeinde, die auch sehr aktiv war. Diese Gemeinde dürfte sehr unter Druck gewesen sein.
Dies ist in der Tat so. Uns war es auch sehr wichtig, der jüdischen Bevölkerung in Basel einen eigenen Themenbereich zu widmen.
Uns war es auch sehr wichtig, der jüdischen Bevölkerung in Basel einen eigenen Themenbereich zu widmen.
Leider gerät dieser Teil oft in Vergessenheit. Von den rund 170'000 Bewohnerinnen und Bewohnern in Basel waren rund 1,7 Prozent jüdisch. Es gab auch hier antisemitische Übergriffe, zum Glück jedoch nicht in den Dimensionen wie in Deutschland. Die jüdische Gemeinde verhielt sich sehr zurückhaltend nach solchen Angriffen. Gleichzeitig musste sich die jüdische Gemeinde vor und während des Kriegs um die jüdischen Flüchtlinge aus Deutschland kümmern. Dies war eine grosse Herausforderung.
Sind Sie bei den Vorbereitungen zur Ausstellung auch auf Sachen gestossen, die sie überrascht haben?
Was für mich wirklich überraschend war, war die Rolle des Klosters in Mariastein. Dieses rief zu einem Gebetskreuzzug gegen die Bolschewisten in Basel auf. Andererseits wurden viele Briefe von katholischen Wehrmacht-Soldaten nach Mariastein geschickt während des Kriegs. Auch dies ist ein Grenzfall, wo man sich fragen muss, wie solche Briefe überhaupt nach Mariastein kommen konnten.
Das Gespräch führte Massimo Agostinis.