Vor Bezirksgericht Bülach stand am Mittwoch ein 53-jähriger Mann, dem die Anklage Kokainhandel, Geldwäscherei und Verbindung zur kalabrischen Mafia vorwirft. Der Prozess war auf drei Tage angesetzt. Schon früh zeichnete sich ab, dass die Verteidigung eine Verschiebung des Prozesses erreichen will.
Erster Vorwurf: keine genügende Akteneinsicht
Die zwei Verteidiger verlangten umfassende Akteneinsicht in die Dossiers von zwei Dutzend Mitbeschuldigten, deren Verfahren separat geführt werden, sowie eine Verschiebung der Hauptverhandlung um mindestens zwei Monate. Sie monierten eine «dramatische Verweigerung des rechtlichen Gehörs» und eine «krasse Beschneidung von Verteidigerrechten». Ohne die Akteneinsicht könnten sie ihren Mandanten nicht genügend verteidigen und es gebe keinen fairen Prozess. Immerhin gehe es um eine drohende Strafe von fast 15 Jahren Freiheitsentzug.
Zweiter Vorwurf: Richter seien befangen
Das Gericht hiess zwar den Antrag auf Akteneinsicht gut, lehnte aber die Verschiebung der Verhandlung ab. Die Verteidigung sei trotzdem möglich, befand das Gericht. Daraufhin forderten die Verteidiger, das Richtergremium müsse wegen Befangenheit in den Ausstand treten. Es bestehe der Verdacht, dass die Richter die Akteneinsicht zu torpedieren versuchten. Als das Gericht auch darauf nicht eingehen wollte, stellten die Verteidiger einen dritten Antrag, der wiederum zum Ziel hatte, den Prozess zu verschieben, bis eine vollumfassende Akteneinsicht erfolgt sei. Auch dieser blieb erfolglos.
Darauf verliessen die Verteidiger demonstrativ den Saal. Es sei ihnen gar nichts anderes übrig geblieben, erklärte Daniel Walder die ungewöhnliche Massnahme. Staatsanwalt Umberto Pajarola hingegen hatte für diesen Schritt kein Verständnis. Der Prozess bleibt nun unter Umständen für mehrere Monate unterbrochen. Das Gericht klärt ab, ob die Verteidigung ihre Arbeit noch erfüllen kann, oder ob sie ausgewechselt werden muss.
Gewichtige Straftatbestände gegen den Angeklagten
Der Beschuldigte kommt zurück in Sicherheitshaft, die seit Februar 2011 besteht. Ihm werden Kokainhandel, Vorbereitungshandlungen zu Raub, Gehilfenschaft zu versuchter schwerer Geldwäscherei und allenfalls Unterstützung einer kriminellen Organisation vorgeworfen. Für den gebürtigen Kalabresen fordert die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von vierzehneinhalb Jahren.
Das Bundesamt für Polizei warnt seit langem
Die kalabrische Mafia 'Ndrangheta ist gemäss Bundesamt für Polizei in der ganzen Schweiz aktiv, hauptsächlich aber in der Grenzregion Tessin/Italien. Entscheidend im Kampf gegen die Mafia sei die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen, vor allem aber auch die Zusammenarbeit mit Italien, sagte Danièle Bersier vom Bundesamt für Polizei gegenüber dem «Regionaljournal Zürich Schaffhausen».