Die Initiative ging vom Verband der Studierenden an der ETH (VSETH) aus. Die Bilder von Flüchtlingen auf dem Weg nach Europa liess auch viele an der Zürcher Hochschule nicht kalt, sagt Kay Schaller, Präsident des VSETH: «Nicht nur der Verband selber, auch Studierende und Angestellte der ETH kamen auf uns zu mit der Idee, Flüchtlingen ein Studium zu ermöglichen.»
Bei der Hochschulleitung rannten der VSETH mit seinem Projekt offene Türen ein. Und so wurde rasch entschieden: Ab diesem Herbst dürfen rund vierzig Asylsuchende ein Schnuppersemester absolvieren. Konkret bedeutet das: Sie dürfen in die Hörsäle und die Vorlesungen besuchen – Prüfungen ablegen jedoch nicht.
Viele Anmeldungen: von Flüchtlingen, aber auch von Mentoren
Es gehe ausschliesslich darum, dass die Flüchtlinge «Hochschul-Luft» schnuppern könnten, so Kay Schaller: «Wir wollen zeigen, wie es wirklich ist. Also auch, wie hart es ist. Dass man Deutsch sprechen muss oder dass ein Drittel die Prüfungen nicht besteht.»
Daher setzt die ETH zwei Hürden für Schnupper-Studierende: Sie müssen ein gewisses Niveau in Deutsch und Englisch vorweisen sowie in der Heimat ein Studium im naturwissenschaftlichen oder technischen Bereich begonnen haben.
Wer diese Vorgaben erfüllt, darf nicht nur in die Vorlesungen sitzen, sondern erhält auch einen Mentor oder eine Mentorin zur Seite gestellt, der oder die ihn betreut. Diese Betreuerinnen und Betreuer zu finden sei kein Problem gewesen, so Kay Schaller. Es hätten sich bereits über hundert Studierende gemeldet.
Und auch bei den Asylsuchenden stösst das Angebot auf Echo. Es hätten sich bereits 46 Interessierte beworben. Die Frist für eine Anmeldung dauert noch bis Mitte September.
AOZ sieht gewisse Hürden
Wie viele Flüchtlinge und Asylsuchende am Ende tatsächlich in den Hörsälen der ETH sitzen werden, steht noch nicht fest. Die Asylorganisation Zürich (AOZ) begrüsst diese Idee zwar grundsätzlich, wie die Vizedirektorin Regula Manz auf Anfrage des «Regionaljournals» sagt: «Wir unterstützen alles, was den Flüchtlingen eine reale Perspektive bietet.»
Ob aber eine rasche und unkomplizierte Umsetzung des Schnuppersemesters tatsächlich realistisch ist? Regula Manz gibt sich skeptisch. Denn auch die Sozialbehörde, welche die Asylsuchenden begleitet und die Sozialhilfe zahlt, muss diesem Experiment einwilligen: «In dieser Zeit können die Menschen keine Arbeit suchen oder sich sonst in den Arbeitsmarkt integrieren. Deshalb muss die Sozialbehörde das Einverständnis dazu geben.»
Nun müssten die 46 Gesuche, die bei der ETH eingegangen sind, genau auf diese Punkte hin geprüft werden, So Manz. Sie geht nicht davon aus, dass diesen Herbst alle 40 Schnupper-Plätze an der Technischen Hochschule besetzt werden können.