Natürlich war es auch die sichtbare Not vieler Familien, aus der die Mieterbewegung vor 125 Jahren entstand. Noch entscheidender waren aber die hygienischen Verhältnisse, welche bürgerliche Politiker alarmierten und zum Handeln veranlassten. Für sein Buch hat Niklaus Scherr, AL-Gemeinderat und ehemaliger Geschäftsführer des Zürcher Mieterverbandes, lange im Sozialarchiv recherchiert.
Die Geschichten über die Wohnungsnot in der Stadt Zürich sind denn auch eindrücklich. Arme Familien lebten auf engstem Raum zusammen, zum Beispiel im Zürcher Niederdorf ohne Bad und ohne Toiletten. Im Quartier Aussersihl hatten Bauspekulanten das Heft in der Hand. Sie pferchten bis zu 20 ausländische Arbeiter in eine kleine Wohnung. Oft mussten Bauarbeiter ein Bett teilen. Das Zürcher Gesundheitsamt schrieb daher die Mindestgrösse eines Bettes für zwei Bauarbeiter vor: Ein Meter und fünf Zentimeter.
Weichenstellung mit der Gründung des Mieterverbandes
Die Wohnungsnot und die hygienischen Verhältnisse gaben den Ausschlag, zu handeln. 1891 wurde die Mieterbewegung gegründet. Ziel war es, neue und günstige Wohnungen mit Sonne und Licht zu bauen. Und um der Spekulation mit Bauland den Riegel zu schieben, wollte man selber bauen. Ein Jahr nach der Gründung des Mieterverbands entstand bereits die erste Baugenossenschaft.
Ewiger Clinch zwischen Hauseigentümer- und Mieterverband
Bereits in der Gründerzeit des Mieterverbandes kam es zu Konflikten mit den Hauseigentümern. Für Buchautor Niklaus Scherr allerdings ist dieser Konflikt in der Sache begründet. Es gehe dabei um einen Grundkonflikt - den Konflikt zwischen Eigentümern und Mietern. Ein Streit, der auch nach 125 Jahren noch nicht gelöst ist, ist der Streit um gerechte Besteuerung der Mieter und der Hauseigentümer.
meim; Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 17:30 Uhr