Mit Sex à Discrétion will ein Club in der Nähe von Zürich möglichst viele Kunden anlocken. Wer einen Eintritt von 160 Franken bezahlt, kann mit so vielen Frauen aufs Zimmer, wie er will. Pro Gang aufs Zimmer kostet es nochmals 20 Franken. In Deutschland wurden Prostituierte in Bordellen mit ähnlichem Geschäftsmodell zum Teil massiv ausgebeutet. Darum wird das Modell in der Schweiz als menschenverachtend kritisiert.
Für Clubbetreiber Patrick Knupfer ist diese Kritik unberechtigt. Sein Club sei anders als die Flatrate-Bordells in Deutschland: «Dort hat der Clubbetreiber die Frauen pauschal pro Tag bezahlt und bestimmt, wie sie zu arbeiten hat. Er hat ihnen gesagt, wie häufig und mit welchen Kunden sie aufs Zimmer müssen.» In seinem Club sei dies anders. Die Frauen würden nach Anzahl bedienter Kunden bezahlt. Und: «Die Frauen sind selbständig hier. Sie können selber entscheiden, mit wem sie aufs Zimmer gehen und mit wem nicht.»
Bundesgericht: Clubbetreiber hat Arbeitgeberstellung
Dass die Frauen in diesem Club als selbständige Dienstleisterinnen arbeiten, wird in einer Arbeitsvereinbarung festgehalten. Diese Vereinbarung wird vom Zürcher Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) akzeptiert – dies, obwohl das Bundesgericht festgehalten hat, dass Bordellbetreiber quasi eine Arbeitgeberstellung haben. Prostituierte seien also keine selbständig Erwerbenden, sondern Arbeitnehmer.
Für die Zürcher Staatsanwältin Silvia Steiner sind die Prostituierten in Bordellen nicht nur vom Clubbetreiber abhängig. Die Frauen würden meistens von einer Person aus ihrem Heimatland in diesem Bordell platziert und von dieser unter Druck gesetzt, damit sie überhaupt in Bordellen arbeiten. So seien die Sexarbeiterinnen sogar doppelt unselbständig. Das grosse Problem daran: Der Arbeitnehmerschutz gilt für Arbeitnehmer – und nicht für Selbständige. Staatsanwältin Steiner: «Wären Sexarbeiterinnen unselbständig Erwerbende, wären sie besser geschützt. Sie wären krankenversichert und die Sozialabgaben und AHV würden abgerechnet werden.»
«Mit unterschiedlichen Ellen gemessen»
Das Zürcher Amt für Wirtschaft (AWA) geht einen anderen Weg. Für sie seien die Weisungen des Bundes kein gangbarer Weg. Je nach Herkunftsland brauchen Arbeitnehmer eine Arbeitsbewilligung – und diese sind kontingentiert. «Mit jeder Bewilligung, die wir einer Prostituierten geben, nehmen wir einem IT-Spezialisten oder einem Projektmitarbeiter, den es hier nicht gibt, eine Bewilligung weg», sagt AWA-Sprecher Can Arikan gegenüber «Schweiz Aktuell». Das sei nicht im Sinne der Arbeitsbewilligungen, glaubt Arikan: «Die Idee der Kontingente ist primär volkswirtschaftlich. Unternehmen, die für den Kanton Zürich einen Mehrwert generieren, sollen von den Kontingenten profitieren».
Damit werde in unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen mit unterschiedlichen Ellen gemessen, sagt Staatsanwältin Silvia Steiner. «Bei Bauarbeitern geht man davon aus, dass sie scheinselbständig oder unselbständig sind. Bei Prostituierten, dass sie grundsätzlich selbständig sind. Das geht nicht auf, denn an und für sich ist es das gleiche.»
Höherer Schutz dank Selbständigkeit
Da das AWA den Frauen keine Bewilligung geben könne, sei die Anerkennung der Selbständigkeit der beste Weg zum Schutz der Frauen. Denn als Selbständige müssten die Frauen sich melden und angeben, wo sie arbeiten. So hätte das AWA ein Mindestmass an Übersicht und Kontrolle. «Wenn wir den Frauen keine Bewilligung geben, würden sie trotzdem dableiben und in der Illegalität verschwinden. Deshalb wäre es weniger Schutz, wenn wir sie nicht als Selbständige sehen würden», sagt Can Arikan.