Herbst und Winter stehen bevor – in dieser Zeit spielte das Coronavirus die letzten Jahre jeweils wieder eine grosse Rolle. Doch eine grosse Zahl an schweren Fällen erwarten Fachleute dieses Jahr nicht. Diffuser ist die Situation bei Long Covid, also den langanhaltenden Folgen einer Infektion. Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel über den jetzigen Stand der Forschung.
Wie gut helfen die Therapien, die es inzwischen gibt?
Die Therapie von Symptomen, zum Beispiel von Schmerzen und Herz-Kreislauf-Problemen, ist deutlich besser geworden. Ausserdem kann die Therapie kombiniert mit einem guten Umgang mit den begrenzten Kräften der Patienten helfen, eine Verschlechterung der Krankheit zu verhindern. Aus Fehlern, die zu Anfang gemacht wurden – etwa zu starker physischer Beanspruchung von Patienten durch Sport – konnten Ärztinnen und Patienten lernen. Aber immer noch gibt es keine heilende Therapie. Einige Medikamentenkandidaten sind in der klinischen Prüfung. Es wird aber noch dauern, bis klar ist, wie gut sie wirken und dann in der Breite bei Patienten ankommen.
Weiss man nun mehr über die Risikofaktoren von Long Covid?
Da gibt es noch viele Unklarheiten. Fachärzte beobachten zum Beispiel in der Praxis, dass vorbestehende Autoimmunerkrankungen wie Rheuma ein Risikofaktor sein könnten. Daten aus grösseren Studien sind aber nicht eindeutig. Klar ist nur, dass Frauen ein höheres Risiko haben als Männer. Auch hat jemand, der schon einmal Long Covid hatte, ein höheres Risiko, noch einmal daran zu erkranken, wenn er oder sie sich noch einmal mit Covid-19 ansteckt. Wer noch Long-Covid-Symptome hat, dessen Zustand kann sich durch eine Infektion verschlechtern. Wer nach der ersten Infektion nicht an Long Covid erkrankt ist, der hat – wiederum Beobachtungen von Fachleuten zufolge – offenbar ein geringeres Risiko bei einer zweiten Infektion.
Wie entwickelt sich die Situation momentan?
Ärztinnen und Ärzte in Long-Covid-Sprechstunden beobachten, dass nicht mehr ganz so viele neue Patienten nachkommen, wie noch vor ein paar Monaten. Das kann am Sommer liegen, weil es weniger Ansteckungen in Innenräumen gibt – also mit hohen Virendosen und besonders hohem Long-Covid-Risiko. Die zirkulierenden Varianten sind Omikronabkömmlinge und man weiss, dass Omikron selbst ein geringeres Risiko mit sich brachte als ältere Varianten. Dazu kommt vermutlich auch die inzwischen doch hohe Immunität, die nicht perfekt ist, aber doch ein Stück weit vor Long Covid schützt. Ob und wie sich die Situation im Herbst und Winter ändert, ist offen. Es wird wieder mehr Infektionen geben, weil wir uns mehr in Innenräumen aufhalten werden. Neue Varianten könnten zudem wieder ein höheres Long-Covid-Risiko mit sich bringen.
Bald gibt es eine neue Impfung. Macht es Sinn, sich zum Schutz vor Long Covid zu impfen?
Es gibt keine Daten, die zeigen, ob eine Auffrischung das Risiko bei einer neuen Infektion senken kann. Aber generell senkt eine Impfung das Risiko, an Long Covid zu erkranken. Beobachtungen in der Praxis zufolge mildert ein Impfschutz auch die Schwere von Long-Covid-Verläufen. Personen, die Long Covid hatten oder haben, wird in Sprechstunden durchaus individuell empfohlen, die Impfung aufzufrischen. Der Impfschutz schützt zudem offenbar in einigen Situationen besser vor Ansteckung und damit auch vor Long Covid als bisher angenommen – dann nämlich, wenn die Virendosis niedrig ist. Es ist plausibel, anzunehmen, dass eine Auffrischung diesen Schutz noch verstärkt. «Harte» Daten dazu gibt es aber nicht.