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2x Weihnachten Altersarmut: Eine Betroffene berichtet

Altersarmut trifft in der Schweiz über 205'000 Menschen. Berta Altherr erzählt, was es bedeutet, mit wenig auszukommen.

Im Alter wünscht man sich eine ruhige, aktive, freudige, aber sicherlich keine finanziell angespannte Zeit. Für Berta Altherr ist jedoch genau dies eingetreten. Die 78-Jährige ist von Altersarmut betroffen, obwohl sie ihr ganzes Leben gearbeitet hat. Für sich, ihre Familie und für verschiedene Firmen, acht Jahre über das Pensionsalter hinaus.

Ein bewegtes Leben.

Berta Altherr wurde mit 17 Jahren schwanger und konnte deshalb keine Lehre antreten. Vom Elternhaus zog sie zu ihrem damaligen Partner. Eine Hochzeit und drei weitere Kinder folgten.

Berta Altherr kümmerte sich um die Familie und half bei der Werkarbeit ihres Mannes mit. Als dessen Alkoholkonsum jedoch ausser Kontrolle geriet, wurde er zu einer Bedrohung. Sie war gezwungen, ihn zu verlassen und ein neues Leben aufzubauen. Zwar hatte sie keine Schulden, doch 150'000 Franken waren verloren. Sie hatte für das gemeinsame Haus und die Firma ihres Ex-Mannes gebürgt.

Finanzen im Alter

Berta Altherr arbeitete acht Jahre über die Pension hinaus im Büro eines Bekannten. Sie hatte Angst, ihre Kinder müssten für die Ergänzungsleistungen (EL) aufkommen. Sie bezog deshalb keine. Laut SRF-Wirtschaftsredaktorin Nora Meuli ist diese Angst verbreitet. Viele Menschen mit zu geringer AHV beziehen keine EL, obwohl sie Anrecht darauf hätten. Entweder aus Scham oder aus Angst vor Schulden. Aber die bezogenen Ergänzungen müssen weder von einem selbst noch aus dem Privatvermögen der Kinder zurückbezahlt werden.

Zurückzahlen der Ergänzungsleistungen

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Zurückzahlen muss man die Ergänzungsleistungen nur aus dem eigenen Nachlass und nur aus dem Teil der Erbsumme, der 40'000 Franken übersteigt. Vom Privatvermögen der Hinterlassenen wird nichts abgezogen. Ergänzungsleistungen, die vor dem 1. Januar 2021 bezogen wurden, entfallen ganz.

Studien zeigen, dass Frauen mehr von Altersarmut betroffen sind. Nora Meuli erläutert: Da Frauen mehr Betreuungs- und Erziehungsarbeiten leisten als Männer, entstehen negative Folgen bei der Rente.

Die AHV anerkennt nun zwar diese Arbeiten, die Pensionskasse jedoch nicht. «Ob man das als Defizit sieht, ist eine politische Frage», meint Nora Meuli. «Fakt ist einfach, dass es dazu führt, dass mehr Frauen von Altersarmut betroffen sind».

Armutsbetroffene ältere Personen sind fast viermal mehr von Einsamkeit betroffen wie ältere Menschen, die nicht arm sind.
Autor: Nora Meuli SRF-Wirtschaftsredaktorin

Armut im Alter hat viele negative Einflüsse. So auch auf die Gesundheit oder den sozialen Anschluss. Sind die finanziellen Mittel knapp, liegen Einladungen oder gemeinsame Ausflüge meist nicht drin. «Armutsbetroffene ältere Personen sind fast viermal mehr von Einsamkeit betroffen als ältere Menschen, die nicht arm sind», meint Nora Meuli.

Nora Meuli und Berta Altherr im Studio von Radio SRF 1. Der Moderator Adrian Küpfer von hinten Studio-Bildschirmen.
Legende:

Leben mit wenig

Als Freiwillige hilft Berta Altherr im Altersheim aus, malt und strickt. Wenn sie dies tue, könne sie sich am Abend sagen, heute wieder etwas Gutes für sich getan zu haben. Dann müsse sie nicht mit ihrer finanziellen Situation hadern.

Für mich ist ganz wichtig, dass ich eine Wochenstruktur habe. Die habe ich, weil ich ins Altersheim gehe und mein Hobby noch pflege und das gibt mir Kraft.
Autor: Berta Altherr Armutsbetroffene

Berta Altherr verhindert Unzufriedenheit mit ihrer Positivität und Tagesplanung. Selbst bezeichnet sie ihre Agenda als ihre wichtigste Begleitung: «Für mich ist ganz wichtig, dass ich eine Wochenstruktur habe. Die habe ich, weil ich ins Altersheim gehe und mein Hobby noch pflege und das gibt mir Kraft.»

Trotz Berta Altherrs Lebenseinstellung ist Altersarmut mit vielen Einschränkungen verbunden. Gemeinsames Einkaufen am «Zibelemärit» oder Einladungen sind nicht möglich. Die letzten Ferien hatte Berta Altherr vor sieben Jahren als Geschenk von Pro Senectute. In der Schweiz geht es fast 14 Prozent der Menschen ab 65 ähnlich wie Berta Altherr.

Mit der Aktion «2 x Weihnachten» der SRG, der Schweizerischen Post, Coop und des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) werden jedes Jahr armutsbetroffene Menschen im In- und Ausland unterstützt.

Mehr Informationen zur Sammelaktion:

Radio SRF 1, Treffpunkt, 27.12.2024, 10.00 Uhr

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