Stark, kompetent, dossierfest, zurückhaltend, gradlinig – so wird Eveline Widmer-Schlumpf (BDP, bis Juni 2008 SVP) von Weggefährtinnen und -gefährten beschrieben. 2007 war sie Hauptfigur im Bundesrats-Krimi und katapultierte Christoph Blocher (SVP) überraschend aus dem Bundesrat. Mit ihrer Wahl trat sie in die Fussstapfen ihres Vaters Leon Schlumpf (SVP), der sieben Jahre im Amt war. Über ihr politisches Wirken ist viel gesagt, über ihr Leben abseits der Bühne wenig bekannt.
Als Linkshänderin auf rechts gepolt
Man hat den Eindruck, Eveline Widmer-Schlumpf macht vieles mit links: Vollblutpolitikerin, Bundesrätin, Ehefrau, Mutter – alles hat sie geschafft. Als Linkshänderin schreibt sie heute unfreiwillig mit rechts. Sie gehört zu den gut zehn Prozent, die früher mit fragwürdigen Methoden auf rechts getrimmt wurden.
Aus deiner Mama wäre nie etwas Rechtes geworden, wenn ich sie nicht am Stuhl angebunden hätte.
Sie sei in der Schule vom Lehrer tatsächlich immer angebunden worden. Mit dem Träger ihrer Schürze habe er ihre linke Hand am Stuhl festgebunden. Ihr Grossvater, ebenfalls Lehrer, akzeptierte das nicht und befahl seinem Kollegen, sie loszubinden. Der Lehrer tat es, band sie aber wieder fest, als der Grossvater ging.
Jahre später traf sie ihn in Bern. Der Lehrer sagte zu ihrer Tochter: «Aus deiner Mama wäre nie etwas geworden, hätte ich sie nicht angebunden.» Psychisch habe ihr das nicht geschadet, aber sie habe Schürzen gehasst und später nie mehr freiwillig getragen.
«Es ist, wie es ist»
Als Politikerin benötigte Eveline Widmer-Schlumpf einen breiten Rücken. Insbesondere nach der Wahl in den Bundesrat war sie einem enormen Druck ausgesetzt, wie sie sagt.
«Ich wurde angeschossen, wie selten jemand in der Schweiz», resümiert die ehemalige Magistratin. Gleichzeitig habe sie grosse Unterstützung erfahren. Sie habe gelernt, das Positive stärker zu gewichten als das Negative. Es gebe Dinge, die man nicht oder nur mit viel Energie verändern könne. Dann muss man sie stehen lassen, meint Eveline Widmer-Schlumpf. So kam sie zu ihrem Lieblingsspruch: «Es ist, wie es ist.»
Ihr Mann war die Klagemauer
Während ihrer schlimmsten Zeit habe sie begonnen, Tagebuch zu schreiben. In Bern sei sie für ihre Familie unerträglich gewesen. Eine Tochter habe einmal gesagt: «Man kennt dich gar nicht mehr. Du bist wie eine Wand.» Damit die Kinder später verstehen, weshalb die Mutter über Monate wie eine Wand war, habe sie angefangen, alles aufzuschreiben.
«Für mich war das ein Verarbeitungsprozess» und der sei ihr gut gelungen. Heute könne sie ohne Aversionen auf diese Zeit zurückschauen.
Schwester Carmen verstarb
In der Nacht auf den 30. April 1983, als Widmer-Schlumpf schwanger mit ihrer ältesten Tochter war, erhielt sie einen Anruf der Polizei. Ihre Schwester Carmen wurde von einem Auto erfasst, erlitt ein schweres Schädel-Hirntrauma, wurde mehrfach operiert und starb fünf Tage nach der Geburt von Eveline Widmer-Schlumpfs Tochter. Carmen war Flight-Attendant bei der Swissair. Zehn Tage zuvor brachte sie ihrer Schwester ein Kinderkleidchen aus Japan und sagte: «Ich gebe dir das jetzt, man weiss nie, ob man sich wiedersieht.»
Dass ihr erstes Kind den Namen ihrer verstorbenen Schwester trägt, hätten ihr einige Leute übel genommen, sagt Eveline Widmer-Schlumpf. Ihre Mutter habe sie damit glücklich gemacht, dass Carmen irgendwie noch da war. Man könne sich nicht vorstellen, was es heisst, ein Kind zu verlieren. Als Mutter begleite einem das ein Leben lang.