Können Sie sich erinnern? Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga hielt ihre Neujahrsansprache in einer Quartierbäckerei. Dort kaufe sie regelmässig Brot, aber sie bekomme jedes Mal noch viel mehr, erzählte sie. Zum Beispiel den Geruch und die persönliche Begrüssung.
Die heile Schweizer Bäckereien-Welt?
«Die klassische Bäckerei ist in der Krise». «In Küttigen und Erlinsbach geht bei den Bäckerein der Ofen aus» oder «In der Stadt Zug schliesst die wohl letzte kleine Bäckerei». Dies sind Schlagzeilen aus verschiedenen Zeitungen, alle aus den letzten 12 Monaten.
Ich gehe regelmässig in die gleiche Quartierbäckerei.
Die Liste mit Negativmeldungen liesse sich fast beliebig verlängern. Ein Titel im Blick sticht aber heraus: «Bäckereisterben lässt Qualität steigen.»
44 Prozent haben geringe Zukunftsaussichten
Vor 20 Jahren gab es in der Schweiz noch rund 2500 Bäckereien. Heute sind es noch 1436. Zudem listet der Verband der Schweizer Bäcker (SBC) 44 Prozent dieser Betriebe als sogenannte «C-Betriebe», als Unternehmen mit geringen Zukunftsaussichten.
«Der Verdrängungskampf hat sich zugespitzt», sagt SBC-Präsident Silvan Hotz. In 10 Jahren rechne man noch mit rund 1000 Mitgliedern. Diese hätten aber häufiger mehrere Filialen. Die Anzahl Verkaufsstellen sei relativ konstant.
Wo kaufen Sie Ihr Brot?
Doch die klassischen Bäckereien verlieren Marktanteile. Nur noch jedes dritte Brot wird beim «Beck» gekauft. Grossverteiler, Discounter oder Tankstellen verkaufen den Rest. Brot sei zu einem «Lockvogelprodukt» geworden, sagt Hotz. In Tankstellenshops rieche es immer gut. Doch das sei «Brot aus der Schachtel», so der oberste Bäcker der Nation. Am Abend aufgebacken, warm, aber nicht frisch.
Der Verdrängungskampf hat sich zugespitzt.
Sind die Bäckereien nicht mit der Zeit gegangen? Hotz verneint. Vielleicht habe man die Kommunikation verschlafen. «Nach gut schweizerischer Manier haben wir Gutes gemacht, dies aber nicht kommuniziert.» Grossverteiler werben mit Steinofenbrot. «Das machen wir schon lange.»
Überlebensstrategien der Bäckereien
Mit Brot allein könne man nicht überleben. «Überleben kannst du nur mit Spezialitäten», sagt Bäcker Arthur Thoma aus Lavin im Engadin. In seinem Fall sind dies Nusstorten und Birnenbrote. Und das Glück, dass ein grosser Detailhändler der Abnehmer seiner Produkte ist.
Selber Brot backen ohne grossen Aufwand
Werte wie Tradition, Herkunft und Handwerk gewännen wieder an Bedeutung, schreibt der SBC. Langgeführte Teige, Sauerteigbrote und einzigartige Produkte sind wieder im Trend. «Ich bin froh, kommen wir wieder zurück zu unseren Wurzeln», meint Silvan Hotz, der in Baar selber eine Bäckerei führt.
Den Nachwuchs für das Handwerk begeistern
Das Handwerk sei das Zentrale, findet auch Bäcker Martin Mayer aus Uster. Wer das erkannt habe, habe eine Zukunft. Die Branche sei mitschuldig, dass der Beruf lange als unattraktiv galt. «Mit Fertigmehlmischungen kann jeder Brot machen, ohne jegliches Knowhow.»
Überleben kannst du nur mit Spezialitäten.
Er kenne Kollegen, die Mühe hätten junge Leute zu finden. Er selbst könnte mehr Lehrstellen vergeben als er habe. Er besuche proaktiv Schulklassen und öffne seine Backstube für Interessierte. So vermittelt er das Bild eines attraktiven Jobs.
Seine Lehrtochter Chantal Liebischer fasziniert, dass sie von A-Z bei der Entstehung eines Produkts dabei ist. Aber sie weiss: «Ohne Kunden können sie noch so gutes Brot herstellen». Marketing sei genauso wichtig. Aber sie ist überzeugt: «Es wird immer gutes Brot brauchen. Die Bäcker werden nicht aussterben.»