Menschen mit einer Beeinträchtigung sollen selbstbestimmt und gleichberechtigt am Leben teilnehmen können. Überall: bei der Arbeit, beim Wohnen und in der Freizeit. Eine Vision, die Jonas Staub seit zwanzig Jahren hartnäckig verfolgt.
Angefangen hat der Berner ganz klein und ohne Businessplan, wie er sagt. Der ehemalige Sozialpädagoge hat selbst in Institutionen gearbeitet und hatte es satt, dass den Menschen mit einer Beeinträchtigung immer von aussen vorgegeben wird, was sie dürfen, können oder sollen.
Die Vision war stärker als die Geschäftsidee.
Zwei junge, blinde Menschen brachten Staub auf den Weg, den er vor 20 Jahren eingeschlagen hat. Die beiden wollten Snowboarden lernen.
Das brachte Staub, allen Unkenrufen zum Trotz, auf die Idee, Snowboarden für Blinde zu lancieren. Das braucht es nicht, hiess es. Doch, sagte Staub, der als ehemaliger Sozialpädagoge weiss, was es für Mensch mit einer Beeinträchtigung heisst, in einer Institution zu leben und beschäftigt zu sein – isoliert und fern ab der Gesellschaft.
Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zusammenbringen und eine inklusive Gesellschaft fördern, war die Vision und «diese war stärker als die Geschäftsidee», sagt Staub. Er gründete Blindspot, eine Non-Profit-Organisation, die mit ihren Projekten Inklusion seit Jahrzehnten vorlebt. Der einst kleine Verein wuchs zu einer national tätigen Non-Profit-Organisation.
Wo ist die Grenze der Inklusion
Muss ein Mensch mit einer Beeinträchtigung wirklich alles machen können? Die Frage nach der Grenze der Inklusion sei heute noch verbreitet. In der Gesellschaft, der Politik, der Wirtschaft, der Pädagogik und der Bildung, so Staub. Wer diese Frage stellt, soll sich ins eigene kommende Alter hineindenken. Und sich überlegen, wie es sich anfühlt, wenn andere für einen bestimmen, was man noch tun kann und was nicht.
Inklusion heisst Selbstbestimmung und dafür steht Staub ein. In den Blindspot-Betrieben arbeiten Personen mit und ohne Beeinträchtigung Hand in Hand. Selbstbestimmt und ohne Vorgaben einer Institution.
Die Behindertenrechtskonvention (BRK) der UNO, welche auch die Schweiz 2014 ratifiziert hat, verlangt Inklusion statt Isolation. Doch davon sei man noch weit entfernt.
Staub sieht die Gründe im System. Wohnheime, Werkstätten, Sonderschulen etc. – der ganze institutionelle Bereich sei im Laufe der Zeit zu einem Wirtschaftszweig herangewachsen. Jährlich würden Milliarden umgesetzt und ein solches System will aufrechterhalten werden.
80 Prozent der Institutionen braucht es nicht – die Menschen könnten im ersten Arbeitsmarkt beschäftigt werden.
Gewisse Einrichtungen und Strukturen werde es brauchen. «80 Prozent der Institutionen braucht es jedoch nicht. Die Menschen könnten im ersten Arbeitsmarkt beschäftigt werden», sagt Staub.
Dafür wird er schon mal als «Nestbeschmutzer» beschimpft. Mit seinen Betrieben will er zeigen, wie einfach es ist, Menschen mit Beeinträchtigung im ersten Arbeitsmarkt zu inkludieren und ihre Stärken und ihre Produktivität zu nutzen.
Wir können inzwischen belegen, dass Mitarbeitende mit einer Beeinträchtigung in unseren fünf Betrieben im Verhältnis weniger Absenzen haben.
Nur weil jemand eine Beeinträchtigung hat, fehlt er nicht zwangsläufig mehr am Arbeitsplatz. Das würden Zahlen seiner fünf Betriebe zeigen. Oft hätten diese Menschen sogar weniger Absenzen, als Menschen ohne Beeinträchtigung.
Die Bereitschaft, Menschen mit einer Beeinträchtigung, einzustellen, sei massiv grösser als noch vor zehn oder zwanzig Jahren, sagt Staub. Ein ungelöstes Problem sei die Finanzierung der Unterstützungsleistungen für Menschen mit Handicap. Für das bräuchte es eine Änderung im System und eine Umverteilung der Finanzströme.