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Auslandschweizer Marcel Hollenstein zur Olympia-Stimmung in Paris
Aus Morgengast vom 22.07.2024. Bild: Keystone/Christophe Petit Tesson
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Cancellara, Spirig und Co. Schweizer Sportstars: vom Olympia-Erfolg ins «normale» Leben

Eine Olympiamedaille ist für viele Sportler das grosse Ziel. Wie verändert sie das Leben? Schweizer Sportstars erzählen.

In Paris kämpfen bald über 10'000 Athletinnen und Athleten um den Olympia-Erfolg. Der Traum einer olympischen Medaille kann aber nur für wenige in Erfüllung gehen. Was geschieht, wenn er es tut?

Nicola Spirig, Xeno Müller, Fabian Cancellara und Heidi Diethelm Gerber haben an Olympischen Spielen Erfolge gefeiert. Sie alle haben erlebt, wie nachhaltig dieser Erfolg das eigene Leben verändert – jeder von ihnen auf eigene Art.

Das Schweizer Olympia-Quiz

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Wissen Sie, wo die Schweiz im ewigen Medaillenspiegel der Sommerspiele steht? Kennen Sie die erfolgreichsten Schweizer Athletinnen und Athleten? Beweisen Sie jetzt Ihre Olympia-Fitness im Quiz!

Triathletin Nicola Spirig: neue Verantwortung durch Olympiasieg

Nicola Spirig hat mit Gold 2012 in London und Silber 2016 in Rio gleich zwei grosse olympische Erfolge gefeiert. «Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich den Zieleinlauf von London sehe», sagt die ehemalige Triathletin.

Als Mensch bin ich die gleiche geblieben.
Autor: Nicola Spirig Ehemalige Triathletin, Olympiasiegerin

Spirig lebt heute mit ihrem Mann und drei Kindern in Bachenbülach ZH. Vom Spitzensport ist sie vor zwei Jahren zurückgetreten. Doch noch immer spielt der Sport eine wichtige Rolle. Einerseits, weil sie sich noch immer täglich fit hält. Andererseits in ihren vielen weiteren Tätigkeiten: So führt Spirig ihre Stiftung und Kindertriathlon-Serie weiter. Daneben arbeitet sie in Teilzeit für den Sportschuh-Hersteller On, ist beim Sportgerichtshof CAS und «Weltklasse Zürich» aktiv.

Wenn sie heute auf den Olympiasieg zurückblickt, sagt Spirig: «Als Mensch bin ich die gleiche geblieben. Meine Werte und meine Sicht auf die Welt haben sich nicht verändert.» Und dennoch habe diese Goldmedaille ihr Leben nachhaltig geprägt, so Spirig. Zum einen habe der Olympiasieg es leichter gemacht, als Triathletin weiterzumachen, habe er doch viel Aufmerksamkeit und neue Sponsoren bedeutet.

Ich wurde zum Vorbild. Das war mir vorher nicht bewusst.
Autor: Nicola Spirig Ehemalige Triathletin, Olympiasiegerin

Zum anderen hat die Medaille eine neue Verantwortung gebracht: «Ich wurde zum Vorbild», sagt Spirig. «Das war mir vorher nicht bewusst. Ich wollte als Athletin einfach diese Medaille gewinnen.» Erst danach habe sie gemerkt, dass die olympische Goldmedaille Inspiration und Motivation für andere sein könne.

Olympische Sommerspiele 2024

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Bis zum 11. August 2024 finden in der französischen Hauptstadt Paris die Olympischen Sommerspiele statt.

SRF begleitet den weltweit grössten Sportevent täglich von früh bis spät und berichtet insgesamt rund 240 Stunden aus Paris. Hier finden Sie alle SRF-Inhalte rund um den Grossanlass Olympische Spiele 2024.

Das sei heute ihre grosse Leidenschaft, so die 42-Jährige: «Es macht mir Freude, meine Erfahrungen weiterzugeben und andere zu unterstützen, seien dies andere Athletinnen, Kinder oder Erwachsene.»

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Archiv: Spirigs Endspurt zu Olympiagold
Aus Sport-Clip vom 04.08.2020.
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In Paris beginnen nun die ersten Spiele seit Spirigs Rücktritt. Vor Ort dabei sein wird sie trotzdem, als Zuschauerin bei den Triathlon-Wettkämpfen. Wehmut spürt sie dabei nicht: «Ich freue mich für die Athleten, die diese intensive Zeit nun erleben dürfen. Aber ich geniesse das Leben, das ich jetzt habe. Mit meinen Kindern habe ich auch jetzt noch sehr grosse Emotionen in meinem Leben.»

Radfahrer Fabian Cancellara: Olympiasieger auf Lebzeiten

Fabian Cancellara ist der erfolgreichste Schweizer Sommer-Olympionike der Neuzeit: Zweimal Gold und einmal Silber hat der Radfahrer an Olympischen Spielen geholt. «Meine Beziehung zu Olympia ist speziell», sagt Cancellara rückblickend.

Mit den Spielen verbindet er nicht nur die grössten Erfolge – Gold in Peking 2008 und in Rio 2016 –, sondern auch einen Tiefpunkt seiner Karriere: «Mein Sturz in London 2012 hat mich letztlich ebenso geprägt wie die erfolgreichen Spiele 2008 und 2016.»

Olympiasieger bleibt man ein Leben lang, auch in der Wahrnehmung der Menschen.
Autor: Fabian Cancellara Ehemaliger Radprofi, zweifacher Olympiasieger

Cancellara ist heute 43 Jahre alt und lebt mit seiner Familie in Ittigen bei Bern. Seine Profikarriere hat vor mittlerweile acht Jahren, nach den Spielen in Rio, geendet.

Im Radsport aktiv ist Cancellara aber noch immer. Zum einen ist er als Inhaber einer Sportvermarktungsagentur engagiert in diversen Events und Projekten. Zum anderen ist er mittlerweile Inhaber des Schweizer Profiteams Tudor Pro Cycling. Und natürlich fährt er auch privat noch Rad: «Auf dem Velo kann ich abschalten, auftanken, nachdenken.»

Wenn er sich heute an seine Olympia-Erfahrungen erinnert, stehen nicht nur die Bilder seiner sportlichen Leistungen im Vordergrund: «Die Momente auf dem Podium, wenn die Schweizer Hymne ertönt, stechen schon besonders hervor.»

Ich kann die Spiele in Paris geniessen und endlich auch einmal die Eröffnungszeremonie schauen.
Autor: Fabian Cancellara Ehemaliger Radprofi, zweifacher Olympiasieger

Cancellara war zwar schon vor der ersten Olympiamedaille 2008 in Peking erfolgreich als Radprofi. Dennoch stellte der Sieg im Zeitfahren den Alltag noch einmal auf den Kopf, sagt er: «Olympiasieger bleibt man ein Leben lang, auch in der Wahrnehmung der Menschen. Das verändert auch vieles für die Familie – obwohl sie ja gar nichts dafür kann, dass ich Olympiasieger bin.»

Diese Veränderung habe schöne wie auch schwierige Seiten gehabt, erzählt Cancellara. Plötzlich sei im Restaurant auf die Familie gezeigt und getuschelt worden. «Das lässt sich nicht ignorieren», sagt er. Und: «Das ist der Preis, den man zahlt, wenn man so etwas erreicht.»

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Archiv: Fabian Cancellara – Zeitfahr-Gold mit Ansage
Aus Sport-Clip vom 28.05.2012.
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Bei den Spielen in Paris wird Cancellara auch vor Ort sein, wohl auch nicht ganz unbemerkt, aber ganz ohne Verpflichtungen: «Ich werde sozusagen als Tourist da sein. Ich kann die Spiele in Paris geniessen und endlich auch einmal die Eröffnungszeremonie schauen. Das ist mir bisher noch nie gelungen.»

Ruderer Xeno Müller: Medaille als internationaler Pass

«Es fällt mir schwer, das zu sagen, weil es so negativ klingt. Aber es war ein Kampf», sagt Xeno Müller, wenn er von seinen Olympia-Erlebnissen erzählt. 1996 in Atlanta hatte der Ruderer Gold im Skiff, dem Einer, geholt. Und vier Jahre später in Sydney folgte Silber. Doch eingebrannt hat sich ihm auch der harte Weg zum Olympia-Erfolg.

Denn vier Jahre vor seinem Triumph, nach einem frühen Aus bei den Spielen in Barcelona, hatte Müller bereits angekündigt, er werde das nächste Mal Gold holen. Der Druck, auch durch die Öffentlichkeit, setzte ihm danach zu. Hinzu kam die Schwierigkeit, genügend finanzielle Mittel für das Leben als Profi-Ruderer zu bekommen.

Ich habe die Bestätigung erhalten, dass es nicht mehr wichtig ist, aus welchem Land ich komme.
Autor: Xeno Müller Ehemaliger Ruderer, Olympiasieger

Die Goldmedaille in Atlanta brachte hier eine Kehrtwende: Als Olympiasieger war es deutlich leichter, an Sponsorengelder zu kommen. Für Müller hatte der Olympiasieg aber noch einen ganz anderen Wert: «Ich habe so etwas wie einen internationalen Pass bekommen. Ich habe die Bestätigung erhalten, dass es nicht mehr wichtig ist, aus welchem Land ich komme», sagt der Zürcher heute.

Das war auch darum so wichtig für Müller, weil er viele Jahre seiner Kindheit im Ausland verbracht und seinen Lebensmittelpunkt schon vor dem Olympiasieg in die USA verlegt hatte.

In Costa Mesa in Kalifornien lebt der 51-Jährige auch heute noch mit seiner Familie. Vier Kinder hat er und beruflich ist er dem Rudern treu geblieben, er arbeitet seit mittlerweile 20 Jahren als Online-Trainer. Die erfolgreiche Olympiakarriere hilft hier beim Marketing.

Bei den kommenden Spielen in Paris wird Müller die Ruderwettkämpfe nur am Rande mitverfolgen. Mitfiebern werde er nicht, sagt er: «Ich achte auf die Technik. Und sehe dabei, wie viele Details im Ruderschlag nicht sauber sind.»

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Archiv: Ruderer und Showman Xeno Müller
Aus Sport-Clip vom 16.06.2022.
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Denn auf etwas blickt Xeno Müller auch 28 Jahre nach seinem Olympiasieg mit besonderem Stolz zurück: «Gewonnen habe ich wegen meiner emotionalen Stärke und meinem Team, aber eben auch aufgrund meiner Technik.»

Sportschützin Heidi Diethelm Gerber: eine persönliche Genugtuung

Heidi Diethelm Gerber schoss sich 2016 mit der Sportpistole über 25 Meter zu Bronze. Es war die erste Schweizer Medaille in Rio und der Medienrummel um die Thurgauerin war riesig. Dieser prägt die Erinnerungen von Diethelm Gerber an ihren Olympia-Triumph: «Die Feier im House of Switzerland, das Fernsehinterview und die ganze Masse an Medienanfragen sind heute fast präsenter. Es hat mich schon etwas überfahren.»

Ich habe etwas erreicht, das nicht jeder erreichen kann.
Autor: Heidi Diethelm Gerber Ehemalige Pistolenschützin

Diethelm Gerber war die ‹unerwartete› Medaillengewinnerin: Sie war damals bereits 47 Jahre alt, war kein früh gefördertes Sporttalent, sondern hatte den Schiesssport erst mit über 30 Jahren für sich entdeckt.

Diese Geschichte nahm dann auch in der Öffentlichkeit den grössten Raum ein. «Es war wohl meist wichtiger als der Sport selbst», sagt die Schützin rückblickend: «Ich hätte mir manchmal gewünscht, dass mehr über meine Leistung berichtet würde.»

Die 55-Jährige hat ihre Karriere vor drei Jahren beendet. Sie wohnt heute mit ihrem Mann in Märstetten TG und arbeitet noch bis Ende Jahr als Trainerin beim Schiesssportverband. Ihr Leben habe sich durch die Medaille nicht fundamental verändert, dafür sei sie schon etwas zu alt gewesen, sagt Heidi Diethelm Gerber schmunzelnd.

Dennoch ist der Olympia-Erfolg bis heute im Alltag spürbar: «Es ist sehr schön, dass ich immer noch von vielen Leuten darauf angesprochen werde – sei das am Flughafen oder in Läden. Viele Leute erinnern sich.»

Olympia 2024: zum dritten Mal in Paris

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Vom 26. Juli bis zum 11. August finden die Olympischen Sommerspiele in Paris statt. Die Hauptstadt Frankreichs ist nach 1900 und 1924 zum dritten Mal Gastgeberin.

  • Erstmals in der Geschichte der Olympischen Spiele werden genauso viele Frauen wie Männer an Olympischen Spielen teilnehmen.
  • 10’500 Athletinnen und Athleten nehmen teil.
  • Es werden 329 Wettkämpfe in insgesamt 32 Sportarten ausgetragen. Ganz neu zu sehen sein wird Breaking, das ist der urbane Tanzstil, der vielen als «Breakdance» bekannt ist.

Ihr persönlich habe die Medaille gezeigt, dass mit Wille und Durchhaltevermögen Ziele möglich seien, die unerreichbar scheinen würden. Und sie sagt: «Es ist für mich auch eine persönliche Genugtuung. Ich habe etwas erreicht, das nicht jeder erreichen kann.»

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Archiv: Erste Schweizer Olympiamedaille in Rio
Aus 10 vor 10 vom 09.08.2016.
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Die Schiesswettbewerbe in Paris will Heidi Diethelm Gerber am Fernsehen bestmöglich mitverfolgen. Nach drei aktiven Teilnahmen ist das eine neue Rolle, welche sie aber durch ihre Zeit als Trainerin nun bestens kennt: «Ich musste feststellen, dass das ebenso anstrengend ist. Man kann nur zuschauen und nicht mehr selbst reagieren.»

Radio SRF 1, 22.7.2024, 7:15 Uhr;stal

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