Gold für «Das Schlangenmaul» von Jörg Fauser
Hier stimmt alles: Spannung, Story, Sprache! Der Berliner Heinz Harder, 38, arbeitslos und pleite, hat gerade ziemlich einen sitzen, als die Steuerfahndung bei ihm klingelt. Steuerhinterziehung! Als freier Journalist hat er offenbar nicht seine gesamten Einkünfte deklariert – räusper. Mit 50'000.- Euro steht er jetzt beim Fiskus in der Kreide. Doch Harder nimmt das hardboiled cool. DRRRINNG. Es klingelt erneut. Dieses Mal ist es das Telefon. «Harder.» Eine angenehme, weiche Frauenstimme meldet sich. Eine Stimme, die nach Geld klingt: «Ich rufe auf das Inserat an. «Bergungsexperte für aussergewöhnliche Fälle». Sind Sie das?» «Ja», sagt Harder, «das bin ich.» Und was dann kommt, ist so guuuuut und so kirrrrrre, dass ich das Buch in einem Schnutz verschlinge. Harder, dieser Mann mit rauem Charme, ist schlagkräftig – sowohl physisch als auch verbal. Einer, der vor der Wirklichkeit nicht zurückschreckt. Der hinschaut und zubeisst – wie ein Pit Bull Terrier –, der alles für die Wahrheit riskiert, auch wenn Polizei, Presse und Politik unter einer Decke stecken und es gefährlich wird. Und dann gefällt mir auch besonders wie der Autor seine Protagonistinnen zeichnet. Die attraktiven, selbstbewussten Frauen über vierzig. Ein erfrischender Anti-Age-Krimi mit Schauplatz Berlin, der auch 35 Jahre nach Erscheinen um nichts gealtert ist!
Silber für «Asphaltdschungel» von Joseph Incardona
Ein Krimi so heiss wie die gegenwärtigen Hitzetage. Pierre Castan sitzt völlig dehydriert in seinem hermetisch abgeschlossenen Auto. Er will sterben. Im Nirgendwo, auf einer französischen Autobahn-Raststätte. Doch Sterben im Auto braucht Zeit. Und die Zeit ist noch nicht reif. Erst muss Castan den Mörder seiner Tochter finden, bevor weitere Mädchen sterben. Dieser Umstand reisst mir fast das Herz aus der Brust. Ein Krimi, so unerbittlich, hartnäckig und brutal, dass es fast nicht auszuhalten ist. Kurzatmig lese ich Incardonas harte Staccato-Sätze. Beobachte, wie er in schnellen Perspektivenwechseln ein Netz um den Mörder spinnt. Und dann der düstere Showdown nicht mehr aufzuhalten ist. Ein Roman noir, der mich in seiner Unerbittlichkeit an «Das Versprechen» von Friedrich Dürrenmatt erinnert. Chapeau, Monsieur Incardona! Aber ehrlich gesagt: Das ist zu hardcore für mich.
Bronze für «Der schlaflose Cheng» von Heinrich Steinfest
Juhu, Markus Cheng, der einarmige Detektiv mit chinesischen Wurzeln ermittelt wieder! Dieses Mal wird ein Schauspieler und Synchronsprecher des Mordes an jenem Filmstar angeklagt, dessen Stimme er ist. Ein vorzüglicher Krimi mit einem vorzüglich entspannten Ermittler! Einer, der sich über Pfingsten einbunkert, um Mary Shelleys «Frankenstein» zu lesen. Und der dann noch auf Schritt und Tritt von seinem toten Hund begleitet wird, der Lauscher heisst. Alle ausser Cheng können ihn für einen kurzen Moment sehen, bevor er wieder unsichtbar wird. Wie cool ist das denn?! Steinfests Krimi ist skurril und eigenwillig. Das finde ich herrrlich erfrischend. Und von wegen Chengs Vorliebe für Wuffis, Bücher und Frankenstein. Habe nach der Lektüre gleich noch die neue Verfilmung von Mary Shelley angeschaut.
Die Bücherliste
- «Das Schlangenmaul» von Jörg Fauser (Diogenes, 2019)
- «Asphaltdschungel» von Joseph Incardona (Lenos, 2019)
- «Der schlaflose Cheng» von Heinrich Steinfest (Piper, 2019)
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