«Herbert beschloss, ein Übermensch zu werden, nicht zu rasten und nicht zu ruhen, Deutschland gross zu machen und mit Deutschland gross zu werden, auch wenn es ihm Grausamkeiten gegen sich und gegen andere abverlangte. Olga fand die grossen Worte hohl. Aber Herberts Wangen glühten und Augen leuchteten, und sie konnte nicht anders, als ihn verliebt anzuschauen.»
Doch Herbert hat grössere Pläne als seine Olga zu lieben. Ihn zieht es in die Weiten der Wüste, nach Deutsch-Südwestafrika. Dort kämpft er für die Kolonialmacht gegen ein afrikanisches Hirtenvolk. Danach zieht es ihn in die Weiten der Arktis, im Dienste fürs Vaterland und die Wissenschaft. Während zu Hause an der Memel Olga auf ihn wartet.
Daumen rauf
- Intelligenter Erzähler: Bernhard Schlink bildet am Schicksal von Olga 100 Jahre deutsche Geschichte ab. In der Ära von Bismarck war Olga ein Kind. Als Herbert für die deutsche Kolonialmacht nach Afrika in den Krieg zog, war sie in ihn verliebt. Als er als Forscher in die Arktis ging, waren sie fest miteinander liiert. Und hätte sie ihren Herbert nicht schon in der Arktis verloren, dann im 1. Weltkrieg. Schnief.
- Atmosphärisch dicht. Bernhard Schlink gelingt es, die Aufbruchstimmung im deutschen Kaiserreich an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert nachzuzeichnen. Die Euphorie und den «Glauben» an das Grosse, die sich im 1. Weltkrieg aufs Schrecklichste entladen haben.
- Der Roman ist clever gebaut. Im ersten Teil wird die Liebe zwischen Olga und Herbert erzählt. Der Ich-Erzähler, für den Olga eine zweite Grossmutter ist, und der im heutigen Deutschland lebt, bleibt im Hintergrund. Im zweiten Teil geht es dann um seine Freundschaft zu Olga. Und im dritten Teil um die Liebesbriefe, die Olga an ihren Herbert von 1913 bis 1971 geschrieben hat. Jahrzehnte lang wurden sie in Tromsø postlagernd für Herbert aufbewahrt, bis der Ich-Erzähler sie ausfindig gemacht hat.
- Die Geschichte vom deutschen Offizier und Polarforscher Herbert Schröder-Stranz ist wahr. Das hat mich elektrisiert. Sie erinnert mich an die Endurance-Expedition in der Antarktis, die Reinhold Messner in seinem Buch «Wild» beschreibt. Aber und da wären wir bereits beim Daumen runter: Messner hat sich richtig hineingedacht. Bei Schlink bleibt im Gegensatz dazu vieles platt.
Daumen runter
- Rosamunde Pilcher für Intellektuelle. Grosse Gefühle, historische Themen, einfache Sprache. Das ist Bernhard Schlinks Erfolgsrezept.
- Viel Schwulst. Bernhard Schlinks Erzählton ist mir zu pathetisch aufgeladen.
- Viel Moralin. Schlink lässt Olga erkennen, was Deutschland in den ersten und Zweiten Weltkrieg geführt hat. Deutschlands Grössenfantasien. Das erwähnt der Autor immer und immer wieder. Und er lässt Olga daraus schlussfolgern: An allem war Bismarck schuld. Lieber ein langweiliges, durchschnittliches Leben führen als ein Heldenleben. Denn das führe nirgends hin, ausser in den Krieg. Diese Geschichtsdeutung ist mir zu banal.
- Viel Langeweile. Weil Schlink sich Olga auf drei verschiedene Arten annähert, kommt es zu Wiederholungen. Das nimmt der Story Zug. Bereits in der Hälfte des Romans frage ich mich: Passiert da noch was, das mich überraschen wird?
Was meint ihr? Sagt mir und diskutiert auch miteinander, was ihr über «Olga» von Bernhard Schlink denkt – auf Facebook.
Sämtliche Blogs von der «BuchKönig» könnt ihr hier nachlesen.
Der Autor
Bernhard Schlink, geboren 1944 bei Bielefeld, ist Jurist und lebt in Berlin und New York. Der 1995 erschienene Roman «Der Vorleser», 2009 von Stephen Daldry unter dem Titel «The Reader» verfilmt, in über 50 Sprachen übersetzt, begründete seinen schriftstellerischen Weltruhm.
Das Buch: Bernhard Schlink: «Olga» (2018, Diogenes)