«Neapel ist eine Stadt, die mit dem Tod gut kann, sie gibt ihm das rechte Gewicht, das des Lebens: das heisst, einzeln genommen so gut wie gar keines.»
Elisabetta, 50, unterrichtet Mathematik in der Jugendstrafanstalt auf der Insel Nisida vor Neapel. Seit dem Tod ihres Mannes vor drei Jahren ist ihr Leben ein Warteraum geworden, in dem die Zeit nichts mehr wert ist. Jeder Schritt ist ein Schritt in der Schwebe. Einziger Halt bietet da ihr Job.
Wenn Elisabetta morgens durchs Gefängnistor tritt, lässt sie die Schwere ihres Witwen-Dasein für einige Stunden hinter sich. Als Almarina, 16, auf Nisida landet, muss Elisabetta Stellung beziehen. Was wiegt mehr: ihre Lethargie oder ihr Verantwortungsgefühl diesem Mädchen gegenüber?
Daumen rauf
Intensiv. Valeria Parrellas Neapel ist noch wirklichkeitsnäher als das von Elena Ferrante. Ich rieche Kaffee, Fisch, Spaghetti. Ich fühle die bleierne Hitze, das gleissende Licht, die Schwere und Einsamkeit einer unerbittlich pulsierenden Grossstadt.
Schwarz. Valeria Parrella schaut tief in die Espressotasse. Almarina ist ein Flüchtlingsmädchen ohne Perspektiven. Sie ist vor ihrem gewalttätigen Vater aus Rumänien geflohen und hat ihren Bruder auf dem Weg verloren. Gleichwohl sieht Elisabetta in Almarinas Augen die Zukunft leuchten. Ein Leuchten, dass von ihr «richtiges» Handeln einfordert.
Stark. Sätze wie «Ich streiche das Leben durch dieses Sieb, und in meinen Händen bleibt zurück, was wirklich zählt» bleiben in mir haften.
Reichhaltig. «Versprechen kann ich nichts» ist ein Büchlein von 137 Seiten, die sich lesen wie ein literarisches Schwergewicht. Es geht um Liebe, Hoffnung und den Glauben, dass - egal wie das Leben uns mitspielt - immer eine ganze Zukunft vor uns liegt. Man sollte nur bereit sein, seine Räume zurückzuerobern und sie mit seiner Seele und seinem Geist zu bewohnen. Lähmende Erinnerungen und die Geister der Vergangenheit haben darin nichts zu suchen!
Daumen runter
Bitter. Valeria Parrellas Roman hat etwas viel Gerbsäure drin. Das schlägt nicht nur auf den Magen, sondern auch aufs Gemüt.
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Die Autorin
Valeria Parrella wurde 1974 geboren und lebt in Neapel. Sie studierte Sprachwissenschaften und arbeitete als Buchhändlerin und Schauspielerin. Für ihr literarisches Schaffen wurde sie vielfach ausgezeichnet, zuletzt stand sie mit «Versprechen kann ich nichts» auf der Shortlist für den Premio Strega 2020. Bei Hanser erschien ihr Erzählband «Liebe wird überschätzt» (2017).
Das Buch: Valeria Parrella: «Versprechen kann ich nichts» (Hanser, 2021)
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