«Die Freiwilligen-Arbeit leistet einen unverzichtbaren Beitrag für die Lebensqualität in unserem Land», sagt Thomas Hauser, Geschäftsleiter von Benevol Schweiz, der Fachstelle für Freiwilligen-Arbeit. «Man könnte sagen: Sie ist die Seele unseres Landes.» Tatsächlich: Über 2.5 Millionen Menschen setzen sich ohne Lohn für die Gemeinschaft ein. Das ist fast jede dritte Person über 15 Jahren. Pro Jahr werden in der Schweiz gemäss Benevol 664 Millionen Stunden Arbeit geleistet. «Das entspricht fast dem Wert der geleisteten Arbeit im Sozial- und Gesundheitswesen», so Hauser.
Männer und Frauen leisten anders Freiwilligen-Arbeit
Das Bundesamt für Statistik (BFS) unterscheidet zwei Arten von Freiwilligen-Arbeit: «Institutionalisierte Freiwilligenarbeit findet in einem organisierten Rahmen, also einem Verein oder einer Organisation statt», erläutert Jacqueline Schön-Bühlmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim BFS. «Informelle Freiwilligenarbeit basiert auf individueller Initiative und beinhaltet meist unbezahlte persönliche Hilfeleistungen in der erweiterten Familie, für Freunde oder Nachbarn.» Frauen und Männer setzen sich auf unterschiedliche Art und Weise ein. Männer packen lieber im institutionellen Bereich an, Frauen im informellen Bereich.
Frauen sind an der Basis, Männer in den Vorständen
Auf Vereinsebene zeigt sich noch ein Unterschied zwischen den Geschlechtern: Der grösste Teil der Männer ist in Sportvereinen aktiv. Der grösste Teil der Frauen in sozial-karitativen Organisationen. Das ergab die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung SAKE 2016.
Und es kommen weitere geschlechterspezifische Differenzen dazu. «Frauen leisten vor allem Basisarbeit in Organisationen, Männer sind eher in deren Vorständen tätig.» Das sagt Michael Nollert, Soziologie-Professor an der Universität Fribourg.
Ein Röstigraben auch in der Freiwilligen-Arbeit
Und wo in der Schweiz leisten am meisten Menschen Freiwilligen-Arbeit? In der Zentralschweiz liegt der Anteil an «Freiwilligen» in der Bevölkerung prozentual gesehen am höchsten. Markant tiefer ist er in der Genfersee-Region und im Tessin – auch das zeigen Zahlen des BFS. Das habe mit dem Staatsverständnis zu tun, sagt Soziologie-Professor Nollert. «Mit Freiwilligenarbeit will man ja auch soziale Probleme lösen. In der Deutschschweiz nimmt man diese Probleme gerne selber an die Hand, in der Romandie wird schneller die öffentliche Hand bemüht. Dieses Vertrauen in staatliche Lösungen führt auch zu einem kleineren freiwilligen Engagement.»
Die frisch Pensionierten sind am fleissigsten
Die Zahlen des BFS zeigen übrigens auch, dass die Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen am engagiertesten ist. Von ihnen setzen sich 53 Prozent ehrenamtlich ein. Allerdings könnte sich das bald ändern, sagt Georg von Schnurbein, Direktor des Centrums für Philanthropie und Stiftungswesen (CEPS) an der Universität Basel: «Über ein Engagement im Online-Bereich kommen auch vermehrt jüngere Menschen auf den Geschmack von Freiwilligen-Arbeit.»
Was die Bereiche angeht, in denen freiwillig gearbeitet wird, beobachtet Georg von Schnurbein eine weitere interessante Entwicklung: «Während der Sozialbereich eher professionalisiert wird, setzt der Kulturbereich immer stärker auf Freiwillige.»