Adrian Wildbolz steht in der rund 30 Meter tiefen Baugrube Hirschenpark, wenige Minuten vom Bahnhof Bern entfernt, und blickt in den Tunnel. Endlich steht der Rohbau. Der Gesamtprojektleiter ist zufrieden: «Es ist eine Herausforderung und ein grosses Privileg, an diesem Bau mitarbeiten zu können.»
Es ist ein Jahrhundertprojekt: Fast 300'000 Leute pendeln täglich über den Bahnhof Bern. Weil der zweitgrösste Bahnhof der Schweiz an seine Grenzen stösst, wird er seit 2017 saniert. Unter anderem baut der Regionalverkehr Bern-Solothurn (RBS) unter dem Berner Bahnhof einen neuen Bahnhof.
Wildbolz betritt den Tunnel. Durch diesen einen Kilometer langen Zufahrtstunnel werden in Zukunft die Züge in den neuen Bahnhof einfahren. Nach etwa der Hälfte teilt er sich. Der eine Tunnel führt in die erste Bahnhofshalle, der andere in die zweite.
So soll der Bahnhof Bern in Zukunft aussehen
Je näher man den Bahnhofshallen kommt, desto lauter wird es. «Wir sind gerade dabei, das Gewölbe zu armieren», erklärt Oberbauleiter Marcel Baumann. Heisst, die Bauarbeiter betonieren ein Innengewölbe mit hellgrauen Rippen. Der Innenausbau soll nicht nur optisch etwas hergeben, sondern auch Lärm schlucken.
Man kann sich bereits vorstellen, wie der unterirdische Bahnhof einmal aussehen soll. Die beiden Hallen sind 200 Meter lang, 17 Meter hoch und 24 Meter breit. Jede Halle erhält einen Mittelperron und jeweils links und rechts ein Gleis. Aus den grossen Löchern in der Decke werden die Rolltreppen und Lifte in die Bahnhofshalle führen.
Züge fahren trotz Bauarbeiten
Einen neuen Bahnhof unter einem bereits bestehenden Bahnhof zu bauen, bringt einige Herausforderungen mit sich. Eine davon ist, den laufenden Bahnbetrieb sicherzustellen, erklärt Wildbolz: «Wir müssen alle Bauabläufe so takten, dass der Betrieb sicher weitergeführt werden kann».
Dazu stellte sich die Frage nach der Logistik. Wie bringt man riesige Baumaschinen tief unter die Erde, besonders am Anfang, wenn es noch gar keinen Tunnel gibt? «Wir haben neben den SBB-Gleisen einen 24 Meter tiefen Schacht gebaut, dazu einen 100 Meter langen Zugangsstollen», sagt Marcel Baumann.
Durch den Schacht haben sie sämtliche Geräte, zerlegt in kleine Teile, herunterbefördert. Im Stollen bauten sie die Maschinen wieder zusammen und fingen mit dem Tunnelbau an, sagt Baumann: «Es ist so, als würde man eine Bärenhöhle durch ein Mausloch bauen.»
Eröffnung verspätet sich um ein Jahr
Das Ende der Bauarbeiten rückt immer näher. Bis Ende 2029 sollen hier die ersten Züge einfahren. Doch die Eröffnung wurde bereits mehrmals verschoben. «Verspätungen gibt es beispielsweise aus geologischen Gründen», sagt Baumann.
Der Sandstein war gemäss Bauman härter, als man erwartet habe. Ausserdem stiessen die Bauarbeiter während des Tunnelbaus auf Erdöl. Solche Verspätungen wirken sich auf das ganze Projekt aus. «Weil wir ein Gemeinschaftsprojekt haben, mit der SBB und der Stadt, sind direkt alle betroffen, wenn bei der einen oder anderen Partei eine Verzögerung entsteht», sagt Baumann.
Wie sich die Verzögerung auf die Projektkosten auswirken, wird erst in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres bekannt. Sie wurden bereits 2022 nach oben korrigiert. Der RBS ging bisher von 730 Millionen Franken aus.