«Manch einer hat mir vor 25 Jahren den Vogel gezeigt», sagt der 50-jährige Köbi Knaus. Damals beschloss er in den Ackerbau einzusteigen, was hier oben sonst niemand machte. Köbi Knaus lebt mit seiner Familie und 15 Kühen auf dem 1050 Meter hohen Chüeboden im Toggenburg. Er zuckt mit den Schultern. Was konnte schon passieren? Er vertraue seinem Instinkt. «Ich sagte mir: Und wenn es nicht funktioniert, verfüttere ichs halt den Kühen».
Dem Leben in der Schweiz auf der Spur – mit all seinen Widersprüchen und Fragen. Der Podcast «Input» liefert jede Woche eine Reportage zu den Themen, die Euch bewegen. Am Mittwoch um 15 Uhr als Podcast, sonntags ab 20 Uhr auf Radio SRF 3.
Um diesen Podcast zu abonnieren, benötigen Sie eine Podcast-kompatible Software oder App. Wenn Ihre App in der obigen Liste nicht aufgeführt ist, können Sie einfach die Feed-URL in Ihre Podcast-App oder Software kopieren.
Doch es hat funktioniert. Mais, Weizen, Gerste und Hafer wachsen gut. Knaus' Hafer bringt einen der besten Erträge schweizweit. Doch er ist einer der wenigen, die überhaupt Speisehafer anbauen, der Löwenanteil wird aus dem Ausland importiert. Schade, meint Knaus, der voll und ganz auf lokale Produktion setzt. Das Korn mag es hier, das Interesse an regionalen Produkten steigt. Einfach ist es trotzdem nicht.
Herausforderungen der Landwirtschaft
Der Bergackerbau ist anspruchsvoll und verlangt spezielle Sorten. Die grossen Zuchtsorten wurden fürs Tal entwickelt und taugen hier wenig. Deshalb sucht Knaus auf eigene Faust nach dem perfekten Saatgut, investiert seit Jahren viel Zeit und Geld, tauscht mit Bauern aus dem Tirol, kauft ein paar Gramm in Kanada, angetrieben von Neugier und Sorgen.
Veränderte klimatische Bedingungen, Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten, die wachsende Weltbevölkerung – niemand weiss genau, welche Ansprüche es in 50 Jahren geben wird. «Darum braucht es Diversität, ein breites Spektrum an Sorten, auf die man zugreifen kann», sagt Knaus.
Ein Versuchsfeld mit Potential
Mitten in Köbi Knaus' Haferfeld befindet sich seit letztem Herbst ein kleines Versuchsfeld. 100 uralte Sorten werden auf ihre Zukunftsfähigkeit getestet. Er streicht mit der Hand über die frischen Halme: Himalayagerste, Ackerbohne, Nackthafer, Pfahlbauergerste, alte Landsorten - manche sind tausend Jahren alt. Ein erster Favorit zeichnet sich ab: «Der Sommerdinkel könnte ein Renner werden». Indem er das alte Saatgut aussät, kann er es erhalten.
Alte Sorten stecken voller Überraschungen
Alte Sorten sind gemäss Knaus nicht per se besser als moderne Zuchtsorten. Letztere seien robuster und effizienter. Trotzdem könnten alte Sorten Gold wert sein. Während bei modernen Hybridsorten alle Pflanzen genetisch gleich seien, seien alte Sorten - wie Menschen - Individuen. Und vielleicht trage eine einzelne Pflanze genau das Gen, welches bei einem Problem der Zukunft benötigt werde und dafür sorge, dass weiterhin gesundes Korn auf den Tisch komme.
Wir brauchen gesündere, robustere Sorten, die auch ohne Pestizide überleben.
Vor kurzem sind Züchter auf dem Chüeboden vorbeigekommen. Eine Genbank aus Berlin hat sich gemeldet und auch Vertreter des Bundes klopfen an. Sie suchen nach dem Korn der Zukunft. Bei Köbi Knaus herrschen perfekte Testbedingungen. Die Böden sind tiefgründig, das Wetter rau, die Winter lang, die Schneeschicht zäh. «Probleme und Vorteile einer Sorte zeigen sich viel schneller in einem Extremklima wie diesem». Was bei Knaus überlebt, ist widerstandsfähig.
Das unberechenbare Wetter
Ein Monat später auf dem Chüeboden: Das Feld sieht schlecht aus. Hagel und Unwetter haben fast alles zerstört, zurück bleiben ein paar wenige «Söömli», er fängt wieder fast bei null an. Ärgerlich - aber so sei die Natur. Ob der alte Sommerdinkel wirklich ein Hit wird, wird sich nun erst in ein paar Jahren zeigen. Bis dahin hat Knaus genügend zu tun. Er lächelt, tippt sich an den Filzhut und widmet sich seinem Hafer. Dem hat der Hagel auch arg zugesetzt. Aber er hat überlebt.