Suzanne Auer, wenn Sie Medien konsumieren, wie oft ärgern Sie sich über die Sprache, mit welcher über Menschen mit Beeinträchtigungen berichtet wird?
Heute viel seltener als früher. Das hat sicher mit der Sensibilisierung der Medien zu tun. Viel öfter nerve ich mich, wenn ich Tram oder Bus fahre und vor allem Jugendliche höre, welche sagen: «Du bist ja behindert». Damit meinen sie, du bist nicht ganz hundert. Wir Menschen mit Behinderungen ticken jedoch ganz richtig.
Was ist die korrekte Bezeichnung?
Verschiedene Varianten sind möglich: Menschen mit Beeinträchtigungen, Einschränkungen oder auch Behinderungen. Vor dem Wort Behinderung haben wir keine Abneigung. Aber wichtig ist, dass der Plural verwendet wir. Wir haben nicht nur eine Behinderung des Körpers, sondern erleben auch Behinderungen im Alltag, in der Gesellschaft.
Wichtig ist der Plural. Wir haben nicht nur eine Behinderung des Körpers, sondern auch im Alltag.
Welche Tipps geben Sie mir, wenn ich über Menschen mit Beeinträchtigungen schreibe oder spreche?
Überlegen Sie sich, was Sie für eine innere Haltung gegenüber uns Menschen mit Behinderungen haben. Angst, Abneigung oder positive Gefühle? Überlegen Sie sich, wie möchten Sie angesprochen oder dargestellt werden, wenn Sie eine Behinderung hätten. Nehmen Sie uns ernst, zeigen Sie Respekt. Wir sind weder hilfsbedürftig noch hilflos. Überlegen Sie sich, ob die Behinderungen des Menschen gegenüber für die konkrete Situation überhaupt von Bedeutung ist.
Je nach Situation sind zum Beispiel Menschen im Rollstuhl ja doch froh über Hilfe?
Jein, gewisse Personen können sich gut selbst helfen. Es ist sehr situationsbedingt. Je nach Form der Behinderungen.
Ich kenne Personen mit Behinderungen, welchen die korrekte Ansprache nicht so wichtig ist.
Das gibt es. Wir sagen in der Pause untereinander auch manchmal «Chrüpeli». Das ist aber sehr ironisch. Wenn wir uns untereinander so ansprechen, ist das was anderes, als wenn jemand ohne Behinderungen uns so nennt.
Politisch korrekte Sprache ist oft auch viel komplizierter. Früher sagte man Wasserkopf, heute Mensch mit Hydrocephalus.
Es ist komplizierter, ja. Aber das Grundproblem bleibt, wenn Ausdrücke beleidigend wirken, dann geht das nicht. Da muss man den etwas komplizierten Weg wählen.
Lieber komplizierte Ausdrücke verwenden, als einen Menschen beleidigen und verletzen.
Wann hat sich die Sprache über Menschen mit Behinderungen verändert?
Ende 70er-, Anfang 80-Jahre. Dann haben in der Schweiz Menschen mit Behinderungen angefangen, sich in die öffentliche Debatte einzubringen. Vorher wurde man weggesperrt, man wagte sich nicht, sich zu zeigen. Besonders die Sprache in der medialen Berichterstattung hat sich seitdem stark verbessert.
Trotzdem bleibt die alltägliche Sprache, welche Sie enerviert. Was tun Sie von Agile.ch, damit die Gesellschaft lernt, sich korrekt auszudrücken?
Wir haben unsere Broschüre , welche wir unter anderem an hunderte Schule verteilt haben, in der Hoffnung, dass es thematisiert wird.
Das Gespräch führte Gaudenz Weber.