Auslöser der Debatte war eine Anfrage von Deutschland. Deutschland will den Flugabwehrkanonenpanzer «Gepard» in die Ukraine liefern. Die Munition dazu stammt ursprünglich aus der Schweiz und wurde von der Firma Oerlikon hergestellt, die heute Rheinmetall heisst.
Die Schweiz blockiert aber die Gepard-Munition für Ukraine aufgrund der Gesetzeslage. Wenn andere Staaten Schweizer Kriegsmaterial kaufen, dürfen sie dieses nicht weiterverkaufen – es sei denn, die Schweiz bewillige dies explizit. Genau das hat der Bund im vorliegenden Fall abgelehnt – unter Verweis auf das strenge Kriegsmaterialgesetz.
Soll die Schweiz Munitionslieferungen in bestimmten Fällen zulassen? Und was bedeutet das für die Neutralität?
Grünliberale preschen vor
Als erste Partei fordert die GLP eine Abkehr von der heutigen Neutralität. Konkret schlägt Nationalrat Beat Flach in der «NZZ am Sonntag» vor, dass die Schweiz in Zukunft Waffen an demokratische Länder geliefert werden dürfen, wenn diese Länder Opfer eines Angriffskriegs werden. Nichtdemokratische Staaten sollen dagegen auch in Friedenszeiten keine Waffen erhalten.
FDP-Präsident Thierry Burkart sagt, man müsse sich über eine Anpassung der Waffenausfuhr-Gesetzgebung unterhalten. «Klar ist aber: Die Schweizer Neutralität darf im Kern nicht beschnitten werden. Das heisst, dass direkte Lieferungen an kriegsführende Parteien auch in Zukunft nicht erlaubt sein sollen.»
Neutralität im Wandel
Die veränderte internationale Lage bedeute nicht, dass die Schweiz ihre Neutralität preisgeben müsse, sondern eine grössere Flexibilität mit dem Begriff, sagt Historiker Georg Kreis in der «NZZ am Sonntag». Es müsse sich etwas ändern, was bleiben solle, wie es ist, zitiert Kreis den Schriftsteller Giuseppe Tomasi di Lampedusa. Es müsse zwischen dem Neutralitätsrecht und der Neutralitätspolitik unterschieden werden. Die Neutralitätspolitik sei schon immer flexibel gehandhabt worden. Prinzip und Praxis klafften jedoch oft auseinander. Man könne sie dogmatisch auslegen oder sich näher an die realpolitischen Notwendigkeiten halten
Die Neutralität der Schweiz sei schon immer dehn- und knetbar gewesen wie ein Kaugummi, darauf weist der emeritierte Historiker Hans-Ulrich Jost in einem Interview mit der «SonntagsZeitung» hin. Einerseits sei um die Neutralität ein Mythos entstanden, andererseits bleibe der Begriff abstrakt. Es gebe unzählige Beispiele für eine doppelbödige Politik im Hinblick auf die Neutralität. Waffenlieferungen seien nicht ohne Verletzung der Neutralität möglich, so Jost. Diese Situation habe die Eidgenossenschaft im Ersten Weltkrieg schon einmal gehabt, als die Schweiz Waffen an Frankreich und Grossbritannien geliefert habe.