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Berndeutsch ist nicht gleich Berndeutsch
Aus Dini Mundart vom 07.11.2024.
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«Dialektratis» Bern Berndeutsch ist nicht gleich Berndeutsch

Im Kanton Bern werden sehr unterschiedliche Dialekte gesprochen. Dank unseren Tipps können Sie die verschiedenen Mundarten locker unterscheiden.

Unter «Berndeutsch» stellen sich die meisten den Dialekt des Berner Mittellandes vor. Aber da gibt es noch viel mehr! Und das ist aufgrund der Grösse des Kantons auch nicht verwunderlich. Die wichtigsten Berner Dialektregionen sind folgende:

1. Oberland

Wegen seiner geografischen Lage am Fuss der Alpen, aber auch aus historischen Gründen, unterscheiden sich die Mundarten im Berner Oberland am stärksten von jenen im Resten des Kantons.

Während das restliche Kantonsgebiet zum hochalemannischen Dialektgebiet gehört, wird das Oberland zum höchstalemannischen Raum gezählt.

Zu den höchstalemannischen Eigenheiten zählt etwa, dass die mittelhochdeutschen «Hiatus-Monophthonge» erhalten blieben, also schniie, buue statt schneie, boue.

Karte des Kantons Bern. Der Norden ist grün eingefärbt mit der Beschriftung «ei/ou», der Süden lila mit «ii/uu».
Legende: Der Erhalt der Monopthonge (Einlaute) im Hiatus («schniie», «buue» usw.) ist charakteristisch für die höchstalemannischen Dialekte. SRF

Oder dass im (mittleren und östlichen) Oberland die starken althochdeutschen Vokale am Ende von weiblichen Wörtern weiter ausgesprochen werden: e Tanna, zwo Tanni, gegenüber hochalemannisch e Tanne, zwo Tanne.

Ausserdem bleibt das «l» im Berner Oberland erhalten: halbvoll, Wälle statt haubvou, Wäuue.

2. Oberaargau und Unteremmental

Der Oberaargau und teilweise das Unteremmental im Nordosten des Kantons bilden den Übergang zwischen westlichem und nordwestlichem Schweizerdeutsch.

Wie im Nordwesten (SO, BL, BS) werden die Vokale in offenen Silben gedehnt (lääse, spiile, Naase) sowie die «harten» «p» und «t» zum Teil zu «b» und «d» abgeschwächt: Baarkblatz, Daag.

Und wie in der Nordwestschweiz wird das lange mittelhochdeutsche «a» zu «o»: Oobe, Strooss, Hoor. Und wie im Kanton Solothurn sagt man im Oberaargau vüu Müuch statt viu Miuch.

Karte des Kantons Bern. Der nördliche Teil ist grün eingefärbt und mit «oo» markiert, der südliche Teil rot mit «aa».
Legende: Im Norden des Kantons heisst es Oobe, Strooss und Hoor. SRF

3. Seeland

Auch im (nördlichen) Seeland wird das lange «a» zum «o» und die «p» und «t» werden zum Teil ebenfalls abgeschwächt. Im westlichen Seeland sagt man zum Beispiel Mügge statt wie im Rest des Kantons Mugge. Ansonsten geht das Seeland hingegen mehr mit dem Berner Mittelländer Dialekt.

4. Mittelland

Wenn Leute «Berndeutsch» sagen, dann meinen die meisten den Dialekt des Berner Mittellandes, rund um die Stadt Bern. Ursprünglich nur in einem kleinen Gebiet gesprochen, breitet sich dieser «Zentrumsdialekt» seit Jahrzehnten in alle Richtungen aus.

Typisch für das Berner Mittelland ist etwa Bieni statt Beiji/Biiji für die Biene, schlööfle für schlittschuhlaufen oder Mürggu für den Brot-Anschnitt. Charakteristisch ist auch tief gegenüber töif im Norden und tǜǜf/teif im Süden.

Stadtmundarten Bern, Biel und Thun

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Die Städte Bern, Biel und Thun heben sich mundartlich teilweise von ihrem direkten Umland ab. Historisch galt das auch für Burgdorf.

Typisch für die Städte ist das Ausbleiben der sogenannten «Velarisierung» von «nd» zu «ng»: Während es in weiten Teilen des Kantons Bern Ching, Hang und Hung heisst, sagt man in den Städten traditionell Chind, Hand und Hund.

Abgrenzung vom Umland

Auch die L-Vokalisierung wurde in den Städten erst deutlich später und bis heute nicht von allen Sprecherinnen und Sprechern durchgeführt. So sagt etwa der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried halbvoll und viil statt haubvou und viiu.

Die Stadtmundarten entstanden unter anderen, weil es der städtischen Bevölkerung früher wichtig war, sich (auch) sprachlich vom Land abzugrenzen. Durch die stark gestiegene Mobilität nehmen die Unterschiede zwischen den Stadtmundarten und jenen des Umland allerdings kontinuierlich ab.

5. Aare- und Gürbetal, Schwarzenburgerland und Oberemmental

Die Dialekte im Aare- und Gürbetal sowie im Schwarzenburgerland und im oberen Emmental bilden den Übergang zwischen den Mittelländer und den Oberländer Mundarten.

Historisch hatte dieses Gebiet viele höchstalemannische Gemeinsamkeiten mit dem Berner Oberland, etwa die erhaltenen Hiatus-Monophthonge (schniie, buue etc.) oder die Monophthongierung von «ou» und «ei» ( Bùùm, Ùùg, Gììss, Stìì statt Boum, Oug, Geiss, Stei).

Zwei Karten des Kantons Bern, auf denen ersichtlich wird, dass das Monophthong-Gebiet von 1950 bis heute geschrumpft ist
Legende: In weiten Teilen des Berner Mittellandes sind die monophthongierten Vokale «ùù» und «ìì» den Dipthongen «ou» und «ei» gewichen. SRF

Im Lauf der letzten Jahrzehnte wurden aber bis an den Thuner- und teilweise den Brienzersee die hochalemannischen Varianten übernommen. Im oberen Emmental und im Schwarzenburgerland können sich die südbernischen Dialektmerkmale noch am ehesten halten.

Fazit: Vielfalt trotz Annäherung

Die Berner Dialekte nähern sich tendenziell an, der zentrale Mittelländer Dialekt breitet sich aus. Trotzdem ist im Kanton auch heute noch eine grosse Mundartvielfalt zu hören.

Radio SRF 1, Dini Mundart, 8.11.2024, 9:40 Uhr

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