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Familiennamen international Ferrari, Schmid und Kovač – alles dasselbe!

Manche Familiennamen gibt es in vielen europäischen Sprachen. Denn sie entstanden vielerorts unter ähnlichen Bedingungen im Mittelalter.

Viele Schweizer Familiennamen wie Schmid, Müller, Peter oder Wyss gibt es in genau derselben Bedeutung auch in vielen anderen europäischen Ländern.

Das kam so: Bis ins Hochmittelalter hatten die Menschen in Europa nur einen Namen, zum Beispiel Roland oder Mechthild. Da Eltern bei der Namensvergabe damals sehr kreativ und die meisten Ortschaften sehr klein waren, gab es kaum Personen in einem Ort, die gleich hiessen.

Dann wuchs aber die Bevölkerung stark an, vor allem in Städten. Gleichzeitig begannen die Menschen, Kinder nach den Eltern oder Taufpaten oder nach bekannten Heiligen zu benennen. Der Namensschatz nahm rapide ab.

Eine Unterscheidung muss her

Plötzlich gab es viele gleichnamige Personen am selben Ort. In einer Urkunde aus Basel aus dem 12. Jahrhundert etwa heissen von elf erwähnten Personen vier Konrad.

Diese gleichnamigen Menschen mussten irgendwie unterschieden werden, damit klar war, von wem gerade die Rede ist. Die Personen erhielten daher einen zweiten, sogenannten «Beinamen». Dabei griff man auf Merkmale zurück, die in fünf Kategorien unterteilt werden können.

Motivationskategorie Beispiel
Stand, Amt oder Beruf Ritter, Ammann, Schmied
Herkunft Zürcher
Wohnstätte Bachmann, Zumthor
Name von Vater oder Mutter Peterli, Barben
Körperliches oder soziales Merkmal Gross, Streit

Diese Beinamen waren zu Beginn nicht fix, sondern konnten sich ändern und wurden nicht an die nächste Generation vererbt. Allmählich begannen Nachkommen, den Beinamen ihres Vaters ebenfalls zu führen – besonders, um geerbte Rechtsansprüche geltend machen zu können, die in Urkunden mit diesem Beinamen vermerkt waren. So entstanden im spätmittelalterlichen Europa die Familiennamen.

Europäische Parallelen

Weil die mittelalterliche Gesellschaft in vielen Regionen Europas sehr ähnlich funktionierte, entstanden vielerorts dieselben Familiennamen. Etwa aus den damals verbreiteten Berufen wie Müller, Weber, Schneider oder Schmied – und das zum Teil in grosser Vielfalt.

Eine Karte Europas mit Familiennamen, die auf den Beruf des Schmieds zurückgehen
Legende: Europäische Familiennamen mit der Bedeutung Schmied SRF

Nicht nur die Berufsbezeichnung selber wurden zu Familiennamen, sondern auch Spezialisierungen (Kupferschmied, Isenschmid, Hufschmid) oder sogenannte Berufs-Übernamen nach Werkzeugen (Hammer, Iseli) oder Erzeugnissen (Nägeli, Hufnagel).

Diese vielfältigen Familiennamen machen den hohen Spezialisierungsgrad der mittelalterlichen Metallverarbeitung deutlich. Dasselbe gilt für viele weitere Berufe.

Häufige nicht-deutschsprachige Familiennamen – und ihre Bedeutung

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In der Schweiz gibt es etwa eine halbe Million Familiennamen - und längst nicht alle stammen aus den Landessprachen. Die drei häufigsten pro Sprache werden hier kurz gedeutet.

Französisch:

  • Favre – «Schmied» (Berufsname)
  • Martin (Vatername)
  • Rochat – «felsiger Ort» (Wohnstättenname)

Italienisch:

  • Rossi – «rot» (Übername)
  • Bernasconi – «aus Bernasca (Ort bei Como)» (Herkunftsname)
  • Ferrari – «Schmied» (Berufsname)

Rätoromanisch:

  • Derungs – «von der Rodung» (Wohnstättenname)
  • Caduff – «aus dem Haus des Rudolf» (Vatername/Wohnstättenname)
  • Casanova – «Neuhaus» (Wohnstättenname)

Portugiesisch:

  • da Silva – «vom Wald» (Wohnstättenname)
  • Ferreira – «Schmied» (Berufsname)
  • Pereira – «Birnbaum» (Wohnstättenname)

Spanisch:

  • García (Vatername)
  • Fernández – «zu Fernando gehörig» (Vatername)
  • Martínez – «zu Martín gehörig» (Vatername)

Albanisch:

  • Krasniqi – «aus Krasniqi (Region)» (Stammesname/Herkunftsname)
  • Berisha – «aus Berisha (Region)» (Stammesname/Herkunftsname)
  • Gashi – «aus Gash (Region)» (Stammesname/Herkunftsname)

Serbokroatisch:

  • Jovanović – «der Kleine des Johann» (Vatername)
  • Petrović – «der Kleine des Peter» (Vatername)
  • Marković – «der Kleine des Markus» (Vatername)

Türkisch:

  • Yılmaz – «der vor nichts zurückweicht» (Übername/Ziername)
  • Yıldız – «Stern» (Übername/Ziername)
  • Kaya – «Fels» (Übername/Ziername)

Arabisch:

  • Ali (Vatername)
  • Mohamed (Vatername)
  • Ahmed (Vatername)

Im Namen des Vaters …

Nicht nur Berufsbezeichnungen wurden europaweit zu Familiennamen. Viele Menschen erhielten auch den Namen ihres Vaters als Beinamen. Dies entweder einfach unverändert (Peter, Martin) oder aber mit einer Ableitung, die die Abstammung deutlich macht oder anzeigt, dass es sich nicht um einen Vor-, sondern um einen Familiennamen handelt: Peters, Peterli, Petermann, Petrig.

...und der Mutter

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Neben den vielen Vaternamen gibt es auch einige Mutternamen – im deutschsprachigen Raum etwa im Verhältnis 1:10. In der Schweiz sind das etwa Elsener, Neeser (von Agnes), Itten (von Ida) oder Barben.

In der patriarchalen Welt des Mittelalters brauchte es gute Gründe, dass jemand den Namen der Mutter als Bei- oder Familienname erhielt. Das war etwa der Fall, wenn der Vater unbekannt oder früh verstorben war. Oder wenn die Mutter den höheren sozialen Status hatte als der Vater.

Auch aus den vielen im Mittelalter geläufigen Koseformen eines Namens entstanden Bei- und später Familiennamen, in der Deutschschweiz etwa Perren, Beetschen oder Bieri (von Pierre). Die verschiedenen europäischen Sprachen verwendeten unterschiedliche Endungen oder Vorsilben, um aus Vornamen Familiennamen zu bilden.

Eine Karte Europas mit Familiennamen, die aus Vornamen entstanden sind
Legende: Beispiele für europäische Familiennamen aus Vornamen Viele der Namenbestandteile von Vaternamen bedeuten «Sohn» (-son, -sen, -fils, Fitz-, Ibn, Ben, -oğlu), andere sind Genitiv-Formen (-s, -en, -in, -ou, -ko), Diminutiv-Formen (-li, -ić, -ič, ov) oder drücken anderweitig eine Zugehörigkeit aus (-es, -ez, -eschi, -escu, -ski, -ig). SRF

Die weiteren Motivationskategorien für Familiennamen finden sich ebenfalls in vielen europäischen Sprachen. Es könnte also durchaus sein, dass der fremdsprachige Familienname Ihrer Nachbarn dasselbe bedeutet wie der Ihre.

Es geht auch anders – oder ganz ohne Familiennamen

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In vielen Regionen der Erde haben Menschen Familiennamen wie in der Schweiz, die von Generation zu Generation vererbt werden.

Es gibt aber auch andere Namenstraditionen. In Island ist es üblich, den Nachnamen aus dem Vornamen des Vaters oder seltener der Mutter zu bilden, indem ein «-son» oder «-dóttir» angehängt wird, zum Beispiel Helguson («Sohn von Helga») oder Jónsdóttir («Tochter von Jón»).

Ähnlich funktionieren tamilische Familiennamen: Die Kinder, aber auch die Ehefrau, übernehmen den Vornamen des Vaters bzw. Mannes als Nachname.

Keine Familiennamen in Myanmar

In Myanmar ist es allgemein unüblich, Familien- oder überhaupt Nachnamen zu tragen. Ausserdem kann der Name jederzeit ohne hohe administrative Hürden geändert werden.

Allerdings kommt es mittlerweile vor, dass Kinder Namensbestandteile ihrer Eltern oder Grosseltern erhalten. So wurde die ehemalige Regierungschefin Aung San Suu Kyi nach ihrem Vater (Aung San), ihrer Grossmutter (Suu) und ihrer Mutter (Kyi) benannt.

Radio SRF 1, Dini Mundart, 11.04.2025, 9:40 Uhr

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