Unter allen Dingen und Lebewesen sind die Tiere uns Menschen am ähnlichsten: Sie bewegen sich autonom und die meisten haben Kopf, Rumpf und Gliedmassen – wie wir.
So können wir uns mit ihnen vergleichen, können menschliche Kategorien auf Tiere anwenden – und tierische Eigenschaften auf Menschen übertragen.
Wer «bärenstark» ist, ist eben so stark wie ein Bär – also stärker als andere Menschen. Und «umehüenere» bezieht sich auf das (aus menschlicher Sicht) wilde und unkontrollierte Umherlaufen von Hühnern.
Tiere bereichern die Sprache
Fast mit allen bekannten (einheimischen) Tierarten gibt es irgendeine Metapher oder Redewendung. Denken Sie an die «Wespentaille», das «Adlerauge» oder den «tollen Hecht». Ein Verräter ist ein «Maulwurf» und jemand, der nicht gut sieht, eine «Blindschleiche».
Warum gibt es so viele Tiere in unserer Sprache? Sie erlauben uns bildhafte Vergleiche und kreative Ausdrucksweisen. Weil Tiere uns umgeben, verstehen wir die tierischen Metaphern und finden sie einleuchtend.
Vor allem Haus- und Hoftiere
Auffällig ist, dass einige Tierarten und -gruppen in der Sprache viel öfter vorkommen als andere. Schweine etwa oder Hunde. Tiere, die in unserer westlichen Kultur eine wichtige Rolle spielen.
Es sind hauptsächlich Haus- und Hoftiere. Logisch: Mit ihnen leb(t)en wir seit Jahrtausenden eng zusammen und wir hatten viel Zeit, um ihr Verhalten zu beobachten.
«Dumme Geissen» und «feige Hunde»
Diese Beobachtungen flossen in unsere bildhafte Sprache ein. Wir sprechen von der «dummen Geiss» (vielleicht weil Ziegen weniger auf menschliche Befehle hören als etwa Hunde oder Pferde) oder von «ds Chalb mache» (weil Kälber oft auf der Weide herumtollen).
Unsympathische Männer können wir als «elender», «fauler» oder «feiger Hund» bezeichnen (der Hund stand in der menschlichen Tierhierarchie lange weit unten).
Wildtiere machen Eindruck
Neben den Haus- und Hoftieren kommen auch Wildtiere regelmässig in der Sprache vor – offenbar machten einige davon den Menschen ziemlich Eindruck. So erklären sich Ausdrücke wie «Bärenhunger» oder «schlau wie ein Fuchs».
Auch exotische Tiere verwenden wir in Metaphern und Redewendungen. Beispiele dafür sind der «Zebrastreifen», die «Krokodilstränen» oder der «Elefant im Porzellanladen».
Verbreitung durch Literatur
Viele Tiermetaphern sind Jahrhunderte, manche gar Jahrtausende alt. Dass wir sie heute noch kennen und verwenden, hat damit zu tun, dass sie durch verschiedene Texte weiterverbreitet wurden.
Grossen Anteil an der Verbreitung haben Fabeln – also Geschichten von Tieren, die sich ähnlich verhalten wie Menschen. Allen voran die antiken Fabeln von Aesop und diejenigen aus dem 17. Jahrhundert von Jean de La Fontaine.
So geht etwa der «Löwenanteil» auf eine Fabel von Aesop zurück, in der der Löwe von der Beute, die er mit einigen anderen Tieren zusammen erlegt hat, drei Viertel haben will.
Die Bibel als «Superspreaderin»
Auch Märchen, in denen Tiere vorkommen, haben zur Verbreitung und Popularisierung von tierischen Redewendungen und Metaphern beigetragen. Am wichtigsten war in dieser Hinsicht aber wohl die Bibel.
Der «Wolf im Schafspelz» kam zuerst in einer antiken Fabel vor, wurde dann aber durch die Bibel und deren Übersetzungen in praktisch alle europäischen Sprachen gebracht. Und der Ausdruck «falsche Schlange» geht natürlich auf die biblische Geschichte von Adam und Eva zurück, in der eine Schlange den beiden die verbotene Frucht aufschwatzt.
Tiere in der Sprache – sie sind überall
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