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Oscar-Gewinner Xavier Koller «Ich habe aus egoistischen Gründen für Mikey Madison gestimmt»

Einen Oscar für die Schweiz gab es letztmals vor vierunddreissig Jahren. Das Filmdrama «Reise der Hoffnung» vom Regisseur Xavier Koller hatte damals die Jury überzeugt. Der 80-Jährige lebt heute in Italien – an den Moment der Oscar-Verleihung erinnert er sich noch gut.

Xavier Koller

Filmregisseur

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Der Filmregisseur und Drehbuchautor Xavier Koller kam am 14. Juni 1944 in Ibach SZ auf die Welt. Er absolvierte eine Lehre als Feinmechaniker und besuchte danach die Schauspielakademie in Zürich. Nachdem er ein paar Jahre als Schauspieler unterwegs war, wechselte er das Fach. Als Regisseur drehte er Filme wie: «Das gefrorene Herz», «Der schwarze Tanner», «Die schwarzen Brüder», «Schellen-Ursli». Sein grösster Erfolg war das Filmdrama «Reise der Hoffnung» für das er 1991 in der Kategorie bester fremdsprachiger Film mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Er ist bislang der einzige Schweizer, der in dieser Kategorie ausgezeichnet wurde.

SRF: Wie war das damals?

Es war eine grosse Überraschung. Es war eine starke Gruppe von fünf Filmen und meiner war der kleinste Film von allen. Man hat nicht erwartet, dass ich auf die Bühne gehen kann.

Wir sehen es von der anderen Seite – wie ist es auf dieser Bühne zu stehen und die Figur in Empfang zu nehmen?

Die grosse Uhr zeigte die 45 Sekunden an, die für den Speech blieben. Ich hatte keinen vorbereitet, weil ich nicht daran glaubte, eine Chance gegen die anderen zu haben.

Dann ging es darum, was ich jetzt in diesen 45 Sekunden sage. Der grosse Zeiger lief und ich habe einfach angefangen die Rede zu halten. Dankbar den Menschen, die mir die Geschichte für das Drama gegeben haben. Plus die Schauspieler usw.  Ich wurde knapp fertig in den 45 Sekunden.

Da klopft das Herz?

Man hat gar keine Zeit dafür. Man muss sich durchringen – was sage ich jetzt, ohne eine schlechte Falle zu machen? Als Dustin Hofmann mir den Oscar übergeben hat, sagte er, er habe den Film noch nicht gesehen.

Man kann es kaum nachvollziehen. In 45 Sekunden zu sagen, warum ich den Film gemacht habe und mit wem? Das war die Hauptsache. Es ist wirklich der Moment der vollen Konzentration, wo ich reflektiert habe, warum bin ich überhaupt da? Weshalb ist der Film überhaupt da.

Wie hat sich ihr Leben verändert, nachdem Sie den Oscar gewonnen haben?

Im ersten Moment hat sich nichts gross verändert. Es war einfach eine grosse Verwunderung und irgendwo eine surreale Situation, weil man nicht darauf vorbereitet war. Es gab viele Interviews.

Ich habe Filme für Disney und andere grosse Unternehmen gemacht, aber mein Wunsch war immer, meine eigenen Geschichten zu erzählen.

Für mich war es ein spielerischer Umgang mit Hollywood. Das hat Spass gemacht. Dann kommen natürlich die Agenten. Mit einem Agenten habe ich einen Vertrag gemacht und dann hat er über die Jahre versucht, mir Jobs zu geben.

Das hat funktioniert?

Es hat in Teilen funktioniert, in anderen weniger. Ich habe Filme für Disney und andere grosse Unternehmen gemacht, aber mein Wunsch war immer, meine eigenen Geschichten zu erzählen. Als Europäer hat sich das auch in meiner Arbeit widergespiegelt. Trotzdem sind wir nach Amerika gezogen – aus Neugier und weil ich mehrere spannende Angebote bekommen habe. Die Neugier hat uns letztlich in dieses neue Abenteuer geführt.

Man ist danach lebenslang Mitglied der Academy. Das heisst, sie konnten bei diesen Oscars auch mitreden. Haben Sie für die Filme abgestimmt, die jetzt ausgezeichnet wurden?

Teilweise. Ich mache das sehr persönlich. Das sind dann subjektive Betrachtungen, nicht Mainstream.

Der Film «Anora» ist der grosse Abräumer. Sie haben der Hauptdarstellerin Mikey Madison ihre Stimme gegeben.

Ja. Ich habe aus egoistischen Gründen für Mikey Madison gestimmt. Ich möchte sie gerne engagieren. Jetzt, wo sie den Oscar gekriegt hat, wird es wahrscheinlich praktisch unmöglich, sie für meinen nächsten Film zu kriegen.

Sie sind 80 und machen immer noch Filme. Was ist ihr aktuelles Projekt?

Für mein neustes Filmprojekt wäre sie die ideale Hauptdarstellerin. Sie war schon für den «Golden Globe» nominiert. Das schafft auch Distanz für eine europäische Produktion. Versuchen kann man es trotzdem.

Das Gespräch führte Elena Bernasconi.

Radio SRF 1, 03.03.2025, 06:20 Uhr ; 

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