Ursachen der Walserwanderungen sind nicht geklärt
Waren es Naturkatastrophen? Waren es Klimaveränderungen? War es die grosse Anzahl Kinder, die eine Überbevölkerung verursachte? Warum im ausgehenden 12. Jahrhundert Walliser Hirten und Bergbauern ihre Heimat verliessen, über die Pässe stiegen, um sich in benachbarten Bergtälern anzusiedeln, ist nicht restlos geklärt und nicht urkundlich belegt. Eine Aufarbeitung der Walserzüge durch die Walservereinigung Graubünden fand erst in den 1960er Jahren statt.
Unwirtliches Land, aber spezielle Rechte
Fest steht, die meisten Neuankömmlinge liessen sich in den hintersten Tälern nieder, in unwirtlichen Berggebieten. Eine wichtige Rolle spielten die regionalen Feudalherren, die auch dank den neuen Siedlern ihre Herrschaftsansprüche festigen konnten. Sie verlangten von den Walsern die Rodung und Bearbeitung des neuen Landes, einen Zins und die Verpflichtung zu Kriegsdiensten. Im Gegenzug bekamen die Walser rechtliche Eigenständigkeit, persönliche Freiheit und die freie Erbleihe von Grund und Boden, das sogenannte Walserrecht. Diese rechtliche Eigenständigkeit und bessere wirtschaftliche Chancen lockten immer mehr Familien in diese Gebiete.
Vom Domodossola bis ins Vorarlberg
Auf ihren Wanderungen nahmen die verschiedenen Sippen unterschiedliche Wege und hatten auch unterschiedliche Ziele. Während sich die ersten Auswanderer bereits beim heutigen Domodossola in Italien niederliessen, wanderten andere Familien bis ins heutige Vorarlberg. Alleine im Kanton Graubünden gibt es drei grössere Walserzüge.
Es ist ein Weg zu den Walsern, ein Weg über räumliche, geistige und sprachliche Grenzen hinweg.
Ein erster Walserzug kam über den Furka- und Oberalppass in das Vorderrheintal und bis ins Safiental. Ein anderer Walserzug ist die Rheinwaldgruppe, die über das Tessin und das Misox bis nach Vals wanderte. Eine dritte grosse Gruppe besiedelte die Gegend von Davos.
In Graubünden trafen die neuen Bewohner auf Romanen. Die Walser assimilisierten sich selten und blieben für sich. Sie vertrieben die Romanen oder zwangen ihnen ihre Sprache und Dialekte, das Walserdeutsch, auf. Ehen unter den beiden Volksgruppen waren lange Zeit verboten.
Das Walserdeutsch: Kein einheitlicher Dialekt
Noch heute ist die Sprache ein gutes Indiz dafür, ob man sich in einer Walsergemeinde befindet oder nicht. Zahlreich sind die Merkmale, die allen Walserdialekten gemeinsam sind, jedoch nicht, wie SRF-Mundartexperte André Perler weiss. «Ein weit verbreitetes Merkmal ist 'sch' für 's', 'ünsch/iisch' für 'uns' oder 'Müüsch/Miisch' für 'Mäuse'.» In den östlichen Walserdialekten Graubündens ist das Weglassen des Artikels vor Personennamen typisch: «Peegg hed Dreeschi ä Chuä gschäicht» anstatt «Peter hat Andreas eine Kuh geschenkt», erklärt Thomas Gadmer von der Walservereinigung Graubünden.
Grob geschätzt sprächen noch ein paar Tausend Leute in Norditalien, in Liechtenstein, im Voralberg sowie in den Kantonen Graubünden, St. Gallen und dem Tessin Walserdeutsch, so Gadmer weiter. «Der grösste zusammenhängende Sprachraum ist das Prättigau.»
Im Walserdeutsch gibt es noch einige altertümliche Ausdrücke: 'Etter' heisst Onkel, 'Ätti' bedeutet Vater, 'Eni' Grossvater.
Dreistufiges Wohnen
Aber auch der typische Holzbaustil der Walser gehört heute zur architektonischen Geschichte der Alpenregion. Das Wohnen in drei Stufen ist ein weiteres Erbe. Die ersten Höfe lagen im Alpgebiet. Wenn dort die Nahrung der Tiere zu Ende ging, wechselten die Bauern in das Maiensäss weiter unten. Die letzte Stufe war dann der Hof im Tal. Heute wird meistens nur noch ein Hof bewirtschaftet. Viele kleine, höher gelegene Stallungen, drohen heute zu verfallen. In einzelnen Gemeinden, zum Beispiel im Safiental werden solche Stallungen daher sanft und traditionell renoviert.
Der Walserweg - Auf den Spuren der Walser
Auf den Spuren der Walser gibt es eine Weitwanderung quer durch Graubünden. SRF 1-Outdoor-Reporter Marcel Hähni nahm die rund 300 Kilometer lange Strecke im August 2019 unter die Füsse. Der Weg führte ihn durch bekannte Ortschaften wie Davos, Arosa oder Klosters. Entdecken durfte er für die Aktion von Radio SRF 1 aber auch das höchstgelegene Dorf der Schweiz, die älteste Holzkirche Europas oder die Quelle des Valserwassers. Ab September teilt er seine Erfahrungen am Radio und hier auf srf1.ch.
Eine gute Vorbereitung ist das halbe Wandern
Zweieinhalb Wochen war Reporter Marcel Hähni auf dem Walserweg Graubünden unterwegs. Von San Bernardino quer durch Graubünden bis nach Österreich. Eine solche Weitwanderung will vorbereitet sein.