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Wie sage ich es meinen Eltern?
Aus Treffpunkt vom 22.07.2024. Bild: Colourbox
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Probleme im Alter Wie sag ich's meinen Eltern?

US-Präsident Joe Biden hat entschieden, nicht mehr zur Wahl anzutreten. Was oder wer den 81-Jährigen schlussendlich überzeugte, weiss nur er selbst. Klar ist: Es war keine einfache Entscheidung.

Aber: Irgendwann im Leben müssen wir alle von Dingen lassen. Das sei eine normale, menschliche Entwicklung, weiss Gesundheitspsychologin Corinne Hafner Wilson. Doch nicht immer möchte dies die betroffene Person wahrhaben. Klassischer Fall: Die betagten Eltern möchten weiterhin Autofahren. Doch persönlich hat man das Gefühl, dass sie eine Gefahr für andere und für sich selbst sind.

Corinne Hafner Wilson

Präventions- und Gesundheitspsychologin

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Hafner Wilson ist Fachverantwortliche «Hilfen zu Hause» bei Pro Senectute. Die Psychologin ist spezialisiert auf die Beratung und Begleitung im Alter und bei einem selbstbestimmten Lebensende.

SRF: Wie geht man da subtil und sinnvoll vor?

Corinne Hafner Wilson: Wenn man eine konkrete Situation beobachtet, kann man diese ansprechen. Nicht im Moment selbst, aber zu Hause, in einem ruhigen Moment: «Mir ist aufgefallen, dass du Mühe hattest bei dieser steilen Treppe …»

Es ist wichtig, dass man auf sich selbst Bezug nimmt. Die eigenen Beobachtungen, Gefühle und Sorgen sind ein guter Einstieg.

Was gilt es ferner zu beachten?

Die Emotionen. Es ist eine aussergewöhnliche Situation. Und wahrscheinlich ist man auch als Angehöriger emotional. Verläuft alles ruhig? Kann man sachlich bleiben? Oder kochen die Emotionen hoch?

Vorwürfe und Bevormundungen sind kontraproduktiv.

Falls dem so ist, verschiebt man das Gespräch besser, bis sich alle beruhigt haben. Oder man überlegt sich, ob man es mit einer Drittperson anschauen möchte, einer Beratungsstelle oder dem Hausarzt.

Was sollte man nicht machen?

Vorwürfe und Bevormundungen wie «Du solltest nicht mehr …» sind kontraproduktiv. Das macht man eventuell, weil man verunsichert ist oder Angst hat. Das blockiert und löst Widerstand aus. Die betroffenen Personen bleiben in diversen Bereichen des Alltags kompetent, selbstbestimmt und urteilsfähig. Es wäre falsch, ihnen diese Fähigkeiten abzusprechen. Mit einer Bevormundung erkennt man die wirklichen Bedürfnisse nicht.

Doch die Bedürfnisse sind zentral, oder?

Ja. In Beratungen hören wir beide Seiten an. Möchte eine Person den Schlüssel unbedingt behalten, versuchen wir herauszufinden, was für ein Bedürfnis dahintersteckt. Möchte sie selbst einkaufen? Braucht sie das Auto, um Freunde zu treffen? Sind die Bedürfnisse geklärt, gibt es oft niederschwellige Unterstützung. Zum Beispiel einen Fahrdienst zum Supermarkt. So kann die Lebensqualität erhalten werden. Man muss nicht gleich alles ändern.

Können Rituale helfen?

Sie können einen Übergang erleichtern und helfen, ein Kapitel abzuschliessen. Sie zeigen, dass das etwas Wichtiges war. Man kann auch die Familie einbinden und etwas Soziales unternehmen. Eine letzte Reise. Oder eine Wohnungsparty, bevor man auszieht.

Es sollte keinen Druck geben.

Aber nicht alle mögen ein grosses «Trara». Es sollte keinen Druck geben, aber von den Angehörigen Verständnis für den Wunsch der Eltern.

Und irgendwann ist man dann ja auch selbst in der anderen Rolle?

Korrekt, und dann wechselt die Perspektive. Älter werden ist ein Prozess. Es ist wichtig, dass man sich selbst schon Gedanken gemacht hat. Wenn man frühzeitig damit beginnt, ist die Chance da, dass man im Alter auf diese Überlegungen zurückgreifen kann.

Das Gespräch führte Mike La Marr.

Radio SRF 1, Treffpunkt, 22.7.2024, 10 Uhr ; 

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